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Kampfpanzer Leopard 2 A7+

© dpa

Rüstungsexporte: Risiko Riad

Saudi-Arabien ist größter Empfänger deutscher Rüstungsgüter. Während die Bundesregierung das Land als "Stabilitätsfaktor" bezeichnet, rügt die Opposition „Angela Merkels Beitrag zum Arabischen Frühling“.

Von Matthias Meisner

Zwischen der deutschen Rüstungsindustrie und Saudi-Arabien bahnt sich ein neues Geschäft in dreistelliger Millionenhöhe an. Wenn der Linken-Politiker Jan van Aken am Sonntag über etwas überrascht war, dann nicht über diesen Fakt an sich. Sondern wohl über das aus seiner Sicht dreiste Vorhaben, jetzt die alten Fuchs-Panzer durch neue ABC-Spürpanzer auf Basis des Typs „Dingo“ zu ersetzen.

Damit sollen, kommentiert der stellvertretende Parteivorsitzende, nun „genau jene Panzer“ ersetzt werden, „bei denen in den 1990er Jahren Millionen Bestechungsgelder geflossen sind, auch an deutsche Regierungsmitglieder". Van Aken sagte dem Tagesspiegel: „Diese Deals stinken gewaltig. Die gleiche Bundesregierung, die Saudi-Arabien dauerhafte schwere Menschenrechtsverletzungen bescheinigt, liefert in dasselbe Land einen Panzer nach dem anderen.“

Dass Saudi-Arabien eine zentrale Rolle spielt bei den Deals deutscher Rüstungsfirmen, hatte van Aken kurz vor Weihnachten aus dem Bundeswirtschaftministerium bestätigt bekommen. Staatssekretär Hans- Joachim Otto (FDP) nannte für 2012 bis zum Stichtag 1. Dezember einen Lieferumfang von 1,335 Milliarden Euro. Größter Posten ist das Grenzsicherungssystem, das der Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS errichtet.

Die Kosten dafür werden inklusive Software und Technologie auf 1,1 Milliarden Euro veranschlagt. Daneben seien Ausfuhrgenehmigungen für unbemannte Luftfahrzeuge, Radare, Stromerzeugungsaggregate, Ersatzteile für Schiffe sowie Zulieferungen für Panzer, Hubschrauber, Kampfflugzeuge, Gewehre und Haubitzen erteilt worden, schrieb Otto.

Kriegswaffenkontrollrechtliche Genehmigungen zum endgültigen Verbleib in Saudi-Arabien seien erteilt worden unter anderem für mehr als 60 000 Zünder, über eine Million Patronen, 20 Maschinenpistolen sowie 100 Lenkflugkörper.

Die von der „Bild am Sonntag“ verbreitete Nachricht, wonach Riad zunächst für 100 Millionen Euro 30 „Dingos“ kaufen wolle und langfristig an 100 Modellen dieses Spürpanzers interessiert sei, passte also nur ins Bild. Unter Berufung auf Verhandlungskreise schrieb das Blatt, der geheim tagende Bundessicherheitsrat habe den Weg für Verhandlungen mit Saudi-Arabien freigemacht.

Erst kurz zuvor hatten andere geplante Geschäfte mit dem autoritär geführten Land Aufsehen erregt. Anfang Dezember berichtete der „Spiegel“ über eine Anfrage Riads nach mehreren hundert Radpanzern „Boxer“. Nach einem früheren Bericht des Magazins ist das Land auch an bis zu 200 Kampfpanzern „Leopard“ interessiert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich erst Anfang des Monats zu den Rüstungsgeschäften mit Saudi- Arabien bekannt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte damals, das Königreich sei ein „Stabilitätsfaktor“. Er versicherte, die Prüfung erfolge in jedem Einzelfall nach „menschenrechtlichen, sicherheitspolitischen, friedenspolitischen und stabilitätspolitischen Kriterien“.

Am Sonntag erklärte ein Regierungssprecher zu dem Bericht über einen geplanten neuen Panzer-Deal: „Die Bundesregierung gibt keine Auskunft über Angelegenheiten, die mit dem Bundessicherheitsrat zusammenhängen.“ Der jährliche Rüstungsexportbericht werde „völlige Transparenz“ über genehmigte Anträge und auch über tatsächlich erfolgte Ausfuhrgeschäfte herstellen.

Friedensbewegung und Opposition stellte das nicht zufrieden. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagte, die Bundesregierung müsse „endlich mit der Heimlichtuerei bei Rüstungsexporten aufhören“. Sie dürfe sich nicht länger der Begründungspflicht und der Diskussion entziehen. „Nur mit mehr Transparenz bei Rüstungsexporten ist eine differenzierte Diskussion möglich.“ Der Linken-Abgeordnete van Aken meinte, 2012 werde als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die größten Menschenrechtsverletzer die meisten Waffen bekommen hätten.

Ironisch sprach er von „Angela Merkels Beitrag zum Arabischen Frühling“. Gestoppt werden könne diese Praxis nur durch ein klares Verbot von Waffenexporten. „Ohne Ausnahmen. Auch nicht für Diktatoren.“

Nach dem jüngsten Länderbericht von Amnesty International wurden in Saudi-Arabien geplante Demonstrationen, die von Protestbewegungen in anderen arabischen Ländern inspiriert waren, rücksichtslos unterdrückt. Das Justizwesen sei undurchsichtig, Folter und grob unfaire Gerichtsverfahren „an der Tagesordnung“.

Das Netzwerk Friedenskooperative erklärte am Wochenende, Deutschland werde zum Hoflieferanten des restriktiven wahabitischen Königshauses, fördere so die Unterdrückung der dortigen Bevölkerung und die Unterstützung dschihadistischer Gotteskrieger, hieß es. Diese Aufrüstung solle das Regime auch gegen den schiitischen Iran positionieren. Die Schlussfolgerung der Friedensbewegung: „Die Bundesregierung trägt zur wachsenden Gefahr eines Krieges gegen Iran bei.“

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