zum Hauptinhalt
"Das", sagte ein Demonstrant am Donnerstagmorgen vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Berlin, "ist die einzige Sprache, die diese Menschen verstehen:" Etwa 300 hatten sich vor dem Prachtbau am Tiergarten versammelt, und viele hielten der Botschaft Schuhe entgegen - die ultimative Beleidigung für Muslime. Die Exil-Äthiopier protestierten gegen die Übergriffe auf rund 23 000 Äthiopier, die aktuell in saudischen Abschiebelagern sitzen und auf ihre Ausreise warten müssen.

© dpa

Saudi-Arabien: Äthiopier demonstrieren in Berlin gegen Gewalt in Riad

Saudi-Arabien will Millionen Einwanderer abschieben und Jobs für die eigene Jugend frei machen. Allein 23 000 Äthiopier sind in Abschiebelager gesteckt worden und erleiden dort offenbar schwere Gewalt.

Sie sind aus ganz Norddeutschland angereist, um am Donnerstag Morgen trotz der Kälte vor der Botschaft Saudi-Arabiens zu demonstrieren. Rund 300 Exil-Äthiopier haben sich in der Berliner Tiergartenstraße mit Transparenten, Kinderwagen und vor allem vielen Schuhen in ihren Händen vor der schicken neuen Botschaft versammelt. Sie rufen: "Stoppt die Gewalt." Oder: "Schluss mit den Vergewaltigungen." Das Äthiopische Menschenrechts-Komitee hat zu der Demonstration aufgerufen, weil ihre Landsleute in Saudi-Arabien gerade besonders zu leiden haben.

Seit Anfang November schiebt Saudi-Arabien im großen Stil Arbeitsmigranten aus Asien und Afrika ab. Im Frühjahr hatten die Behörden eine Frist von einem halben Jahr angekündigt, bis zu der die Einwanderer ihren Aufenthaltsstatus legalisieren sollten. Das konnten sie jedoch nur dann, wenn ein Arbeitgeber für sie bürgte. Rund eine Million Ausländer hat Saudi-Arabien schon verlassen. Seit ein paar Wochen hat die saudi-arabische Polizei Zehntausende Migranten festgenommen und in Abschiebelagern festgesetzt. Darunter sind allein 23 000 Äthiopier, rund 38 000 Äthiopier sind seit dem Frühjahr "legalisiert" worden. Tausende Nigerianer sind ebenfalls interniert worden, Zehntausende Gastarbeiter aus dem Jemen, Indonesien und Bangladesch sind ebenfalls von Abschiebung bedroht.

Nach Angaben von Seyoum Haptemariam, Vorsitzender des Äthiopischen Menschenrechts-Komitees in Deutschland, berichtet von einer Vielzahl von Übergriffen der saudi-arabischen Polizei, aber auch von einheimischen Jugendlichen, die sich selbst "Schabaab", also "Jugend", nennen. Im Internet kursieren Videos, die solche Übergriffe vor allem auf afrikanische Männer und Frauen zeigen sollen. Ihre Herkunft ist allerdings schwer überprüfbar. Haptemariam berichtet jedoch, dass er mit Äthiopiern in Abschiebelagern in direktem Kontakt steht., und deren Aussagen dokumentiert habe.

In lokalen saudischen Medien wurde jedoch über Krawalle im Armenviertel Manfuha in der Hauptstadt Riad berichtet. Dort leben viele der äthiopischen Einwanderer. Haptemariam berichtet, der Auslöser für die Krawalle sei gewesen, dass Männer und Frauen voneinander getrennt in Abschiebelager gebracht werden sollten, obwohl sie ausreisewillig seien. Es gibt eine Vielzahl von Berichten über Vergewaltigungen, weshalb sich die Frauen fürchteten, und die Männer sie beschützen wollten. Bei den Unruhen sind mindestens vier Menschen getötet und 90 verletzt worden.

Am Donnerstagmorgen unterstützte die Menschenrechts-Expertin und ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, die Anliegen der Demonstranten. Sie hielt eine kurze Rede vor der saudi-arabischen Botschaft, in der sie die Einhaltung der Menschenrechte für die afrikanischen Einwanderer in dem Land forderte. Sie sagte: "Die erschütternden Berichte aus Saudi-Arabien stellen ein weiteres Mal unter Beweis, dass die Lieferung von Panzern und Waffen an Diktatoren durch die Bundesregierung sofort gestoppt werden muss." Erst am Mittwoch war der Rüstungsexportbericht veröffentlicht worden, und Saudi-Arabien gehörte einmal mehr zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.

Es gab schon mehrere Versuche einer "Saudiisierung" der Wirtschaft

Das ölreiche Königtum auf der arabischen Halbinsel befindet sich im Umbruch. Die sehr junge Bevölkerung hat es angesichts des Ölreichtums bisher nicht nötig gehabt, zu arbeiten. Dafür kamen rund neun Millionen Migranten aus Asien und Afrika ins Land. Sie stellen ein Drittel der Bevölkerung und schuften auf dem Bau, räumen den Müll weg, fahren Schulbusse oder lassen sich als Hausmädchen in reichen saudischen Familien ausbeuten oder gar misshandeln. Immer wieder gab es Berichte über schwere Misshandlungen und Vergewaltigungen von Frauen in Haushalten. Schon 2004 legte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen umfassenden Bericht über die Lage der Arbeitsmigrantinnen in Saudi-Arabien vor. Viele verschulden sich, um zum Geld verdienen nach Saudi-Arabien zu kommen und müssen monate- oder sogar jahrelang ihre "Schulden" abarbeiten. Das Bürgschaftssystem über die Arbeitgeber funktioniert ähnlich wie in den Arabischen Emiraten, beispielsweise Katar, das derzeit wegen der kompletten Rechtlosigkeit seiner Arbeiter beim Stadionbau stark kritisiert wird.

Anfang des Monats hat die äthiopische Regierung ein "Arbeitsverbot" für Äthiopier als Hausmädchen ausgesprochen. Aktuell ist sie allerdings vor allem damit beschäftigt, Zehntausenden Äthiopiern Ausreisepapiere auszustellen und sie dann nach Addis Abeba auszufliegen. Die Heimatländer müssen offenbar für die "Rückführung" ihrer Landsleute aufkommen. Wie lange die Äthiopier in den Lagern festgehalten werden, bis sie tatsächlich ausreisen können, ist schwer einzuschätzen. Selbst mit einem großen Flugzeug würde es Wochen dauern, bis 23 000 Äthiopier dem Land, aus dem sie bisher Geld nach Hause geschickt haben, entkommen sein werden.

Es ist übrigens nicht der erste Versuch einer "Saudiierung" der Wirtschaft in dem arabischen Land. Schon seit den frühen 1990er Jahren gab es mehrfach Beschlüsse, mehr saudische Arbeitskräfte für das Funktionieren der Wirtschaft heranzuziehen. Denn die saudischen Sozialausgaben sind auf ein inzwischen selbst für ein sehr reiches Land kaum noch finanzierbares Maß gewachsen. Es ist allerdings nicht so, dass sich leicht saudische Bauarbeiter oder Müllfahrer finden ließen. Deshalb türmt sich nach Berichten in einheimischen Medien in den großen Städten bereits der Müll. Die Regierung will allerdings weiter an ihrer Politik festhalten. Ein Sprecher des Außenministeriums, Osama Al-Nugali, wies Vorwürfe von Übergriffen gegenüber Gastarbeitern durch Behördenvertreter zurück. Die Beamten seien gehalten, Arbeiter ohne gültige Dokumente „freundlich“ zu behandeln. Zudem seien alle Botschaften angewiesen worden, ihre Landsleute zur Kooperation zu ermahnen. Bis auf die Krawalle im Stadtteil Manfuha in Riad habe es keine Probleme gegeben, so der Ministeriumssprecher. mit KNA

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false