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SPD-Chef Sigmar Gabriel - hier beim Zukunftskongress seiner Partei am Samstag - wird vom linken Parteiflügel herausgefordert.

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SPD mit neuem linken Flügel: Magdeburger Plattform fordert Sigmar Gabriel heraus

Die neugegründete "Magdeburger Plattform" will sich mit Parteichef Sigmar Gabriel offiziell nicht anlegen – und fordert ihn doch heraus: Der Kampf um die Vermögensteuer beginnt.

Von Hans Monath

Die Tonlage war versöhnlich, die Kampfansage trotzdem unmissverständlich. Als SPD-Parteivize Ralf Stegner am Wochenende die „Magdeburger Plattform“ als neue Organisationsform des linken SPD-Flügels vorstellte, tat er dies mit einer Doppelbotschaft: Die neue Plattform sei keineswegs gegen Parteichef Sigmar Gabriel gerichtet, versicherte der Koordinator der Parteilinken im Bundesvorstand – und warb im gleichen Atemzug für politische Ziele, die dem Kurs des Vizekanzlers und Parteichefs seit der Regierungsübernahme vor einem Jahr diametral widersprechen.

„Vor uns muss niemand Angst haben in der eigenen Partei – es sei denn, er will unsere Programmatik nach rechts verschieben“, meinte Stegner. Genau dies aber unterstellen wichtige Vertreter des linken Flügels Gabriel, seitdem dieser vor allem die ökonomische Kompetenz seiner Partei stärken will, die Vermögensteuer für tot erklärt hat, das transatlantische Freihandelsabkommen preist und alte Braunkohlekraftwerke verteidigt.

Die SPD-Linken halten ihre Positionen für das Zentrum der Partei

Die drei Initiatoren des Treffens – neben Stegner der Chef der Parlamentarischen Linken im Bundestag (PL), Carsten Sieling, und Juso-Chefin Johanna Uekermann – sind sich einig in dem Anspruch, einen Großteil der SPD-Mitglieder zu repräsentieren. „Das Herz der SPD schlägt links und es schlägt kräftig“ sagte Stegner. „Die Positionen der SPD-Linken bilden das Zentrum der Partei“, heißt es im Gründungsaufruf der Plattform. Ziel sei es, „unseren politischen Gestaltungsanspruch durchzusetzen“ gegen „neoliberale Denkmuster“, die auch „bis tief in die SPD hinein wirkmächtig“ seien.

Der selbstbewusste Anspruch darauf, als linker Flügel das Zentrum der Partei zu vertreten, bedeutet eine Herausforderung für den Parteichef. Gabriel war es nach seiner Wahl vor fünf Jahren gelungen, die bis dahin stilprägenden Flügelkämpfe in der SPD zu beenden, für einen meist friedlichen Umgang miteinander und damit für Geschlossenheit zu sorgen.

Genau das steht mit den neuen frechen Tönen und einer womöglich wirksameren Organisationsform der Parteilinken infrage. Allerdings hatte der Wirtschaftsminister seinen Kritikern selbst eine Vorlage geliefert, als er ausgerechnet im Vorfeld des Magdeburger Treffens ohne Vorankündigung ein Instrument beerdigen wollte, das die Parteilinke für unverzichtbar hält, um Verteilungsgerechtigkeit herzustellen – nämlich die Vermögensteuer.

Auch PL-Chef Sieling, der trotz inhaltlicher Differenzen eine direkte Konfrontation mit Gabriel gemieden hatte, griff den Parteichef daraufhin scharf an, denn er sah nicht weniger als „den Zusammenhalt der Gesellschaft“ infrage gestellt. „Wir haben ein Problem mit der Entkoppelung von Reichtum von der Gesellschaft“, sagte der Abgeordnete. Es sei eine Kernaufgabe der SPD, große Vermögen für Gemeinschaftsaufgaben stärker heranzuziehen als Normalverdiener: „Dafür ist die Vermögensteuer ein wichtiges Instrument.“

Gabriel muss um Mehrheiten kämpfen, um Parteitagsbeschlüsse zu schleifen

Strategisch ist die Parteilinke in einer guten Position: Nicht sie will geltende Parteitagsbeschlüsse schleifen, der Parteivorsitzende will das. Dafür muss er dann um entsprechende Mehrheiten kämpfen.

„Wir wollen, dass das gute Parteiprogramm umgesetzt wird“, betonte Stegner. Denn im Bundestagswahlkampf 2013 waren die SPD und ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück noch mit einem dezidiert linken Wahlprogramm angetreten, das neben der Vermögensteuer auch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes empfahl. Die Linke habe sich im Wahlprogramm auf ganzer Linie durchgesetzt, jubelte Stegner damals. Gabriel, der dem konservativen Seeheimer Kreis und den pragmatischen Netzwerkern nahesteht, will diesen Kurs nun korrigieren.

An dem Treffen der rund 200 Genossen in Magdeburg nahm auch Arbeitsministerin Andrea Nahles teil – allerdings gab sie öffentlich keine Erklärungen ab, sondern redete nur hinter verschlossenen Türen. Gabriel wird das Signal trotzdem registriert haben. Mit dem hessischen Partei- und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel war neben Stegner ein zweiter Gabriel-Stellvertreter erschienen. Ihn schätzt der Parteichef persönlich sehr. Anders als Stegner versucht der Hesse im parteiinternen Meinungskampf nur selten, seine Position durch konfrontative öffentliche Ansagen zu stärken.

Die Bedeutung der einst wichtigen linken Vereinigung „Demokratische Linke 21“ (DL 21) unter Hilde Mattheis wird durch die neue Plattform weiter gemindert. Kritisch reagierten die pragmatischen Netzwerker. Sie mahnten die linken Parteifreunde zur Geschlossenheit. „Eine Profilierung auf Kosten anderer mit rückwärtsgewandten Thesen darf nicht stattfinden“, erklärte Sprecherin Eva Högl. (mit dpa)

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