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SPD und die Linke: Sigmar Gabriel darf nicht länger schweigen

Wolf Biermann attackiert die Linksfraktion, in Erfurt demonstrieren Tausende gegen Rot-Rot-Grün - aber einer schweigt: SPD-Chef Sigmar Gabriel. Nun ist es höchste Zeit, dass er sich erklärt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Er gerät ins Feuer, Sigmar Gabriel, und zwar auf beiden Feldern, die er beackert. Da zeigen sich die Gefahren seiner Ämter. Einmal geht es um die wirtschaftliche Zukunft der Braunkohle als Megathema der Energiewende, zum anderen um das hochpolitische Thema Rot-Rot-Grün im Fall Thüringen. Beim ersten Thema ist Gabriel als Bundeswirtschaftsminister so klar, wie er sich über die gewünschten Folgen im Klaren zu sein scheint, will sagen: Er ist pro Braunkohle. Und beim zweiten Thema? Allein die Frage stellen zu können, heißt, sie so weit zu beantworten: Seine Haltung ist fragwürdig.

Nun kann man sagen, dialektisch geradezu, dass Schweigen auch eine Antwort ist. Das stimmt, nur reicht die in diesem Fall bei Weitem nicht aus. Denn im Gegenteil, je länger das Schweigen dauert, desto dröhnender wird es, und desto lauter werden nachher schon aus der SPD die Fragen nach seiner Haltung durch die Republik hallen. Weil Thüringen nicht allein für dieses Land steht, sondern vielleicht ein Signal ist für den Staat.

Schweigen geht gar nicht mehr

Das Schweigen geht schon gar nicht nach dem vergangenen Wochenende, nach den Äußerungen des Bundespräsidenten Joachim Gauck über die Linke, des Präsidenten, den der SPD-Vorsitzende explizit wollte. Es geht auch nicht nach Wolf Biermanns Moritat vom Drachentöter. Und erst recht nicht nach dem Hinweis der Bundeskanzlerin auf die ungute Bedeutung von Rot-Rot-Grün für den Bundesrat, auf den die von Gabriel ausgesuchte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi geantwortet hat, dass das grober Unfug sei. Unsäglich.

Wichtig sind darum die Deutungen, die Gabriels Schweigen zulässt. Also, entweder geschieht es gegen seinen Willen, dass die SPD in Erfurt mit der Linken und den Grünen koaliert, und zwar als Co- Partner, nicht als Chef. Oder Gabriel will diese Koalition, um sie als Machtoption sowohl den eigenen Parteimitgliedern wie auch der Union unter Angela Merkel vorzuführen. Den Sozialdemokraten, damit sie schön bei Laune bleiben und im Wahlkampf 2017 ordentlich für die Partei laufen; der Union, um ihr deutlich zu machen, dass sie die Sozialdemokraten mal besser nicht wie in Erfurt unter der thüringischen Version von Merkel, Christine Lieberknecht, nach Lust und Laune behandelt.

Alle zu umarmen wird Gabriel nicht gelingen

Ob Gabriel die rot-rot-grüne Koalition will oder nicht, beides muss er erklären. Zu hoffen, dass ihm ein paar Leute – wie weiland in Hessen bei Andrea Ypsilanti – die Arbeit abnehmen und dagegen stimmen, ist eigentlich unter der Würde eines Parteivorsitzenden, eines der SPD erst recht. Aber Gabriel kann sich auch erklären, so oder so.

Warum? Wenn es wirklich eine reine „Ländersache“ ist, wie sich die Parteien bei Koalitionen entscheiden, dann ist ja jede seiner Äußerungen nur ein Meinungsbeitrag und kein Befehl. Gabriel muss dann auch keine Sorgen haben, als geschwächt dazustehen, weil doch seine Meinung auch bloß eine unter vielen Meinungen ist. Kurz: Der SPD-Vorsitzende kann frei sagen, was er denkt. Wenn es für ihn klar ist, dann kann er es auch klar kommentieren.

Gabriel hinterlässt statt dessen einen unklaren Eindruck. Vor Fahimis Kritik, die er bis heute unwidersprochen gelassen hat, war es die für alle sichtbare Umarmung von Wolf Biermann im Bundestag nach dessen Auftritt. Alle zu umarmen, wird aber nicht gelingen. Schon gar nicht bei einem Drachen. Dessen Feuer kann einen nämlich gehörig versengen. Auch einen Sigmar Gabriel.

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