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Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, und Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Ampel-Zoff um Lindners Wirtschaftsgesetz: Paus widerspricht Vorwurf der Erpressung

Das Kabinett wollte heute über Steuererleichterungen für Unternehmen entscheiden. Familienministerin Paus stellt sich jedoch gegen die Pläne. Aus der FDP gibt es Kritik, Parteivize Kubicki wirft ihr „kindisches Verhalten“ vor.

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Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat den Vorwurf der Erpressung wegen der Blockade der geplanten Steuererleichterungen für Firmen zurückgewiesen. „Ich halte nichts davon, wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen oder höhere Verteidigungsausgaben gegen mehr Mittel für armutsbedrohte Familien auszuspielen“, sagte die Grünen-Politikerin der „Welt“ .

Damit reagierte Paus auf die Vorwürfe von FDP-Vize-Chef Wolfgang Kubicki. „Das Verhalten von Frau Paus ist kindisch und unprofessionell“, sagte er dem Tagesspiegel.

„Sie hat ihrem Anliegen einen schlechten Dienst erwiesen, denn Erpressungen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes massiv beeinträchtigen, können in der Fortschrittskoalition keine Zukunft haben“, sagte er und stellte damit ihre Eignung als Ministerin indirekt infrage. „Was sollen Unternehmen, die vor erheblichen Investitionsentscheidungen stehen, von dieser Regierung eigentlich noch an positiven Signalen erwarten?“

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Paus zufolge gibt es bei dem Gesetz „auch noch inhaltlichen Beratungsbedarf zumindest aufseiten der Grünen“. Grundsätzlich brauche es staatliche Impulse, um Wachstumschancen zu stärken. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dem Entwurf jedoch zuvor zugestimmt. Es gebe „große Einigkeit“, sagte seine Sprecherin am Mittwoch.

Anders als geplant verabschiedete das Kabinett am Mittwoch nicht das sogenannte Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Dabei handelt es sich um ein Gesetzespaket mit steuerpolitischen Maßnahmen, die die Wirtschaft um jährlich rund 6,5 Milliarden Euro entlasten sollen. Der Grund: Paus blockierte das Vorhaben. Sie fordert mehr Geld für die Kindergrundsicherung. Diese soll es Familien ermöglichen, leichter an staatliche Leistungen zu kommen.

Auch andere FDP-Politiker üben Kritik

Ähnlich wie Kubicki äußerte sich Johannes Vogel, ebenfalls Vize-Vorsitzender der FDP. „Lisa Paus scheint den Kern jeder Sozialstaatlichkeit nicht verstanden zu haben: Erst muss erwirtschaftet werden, was verteilt werden kann. Und um das Erwirtschaften und die Wettbewerbsfähigkeit müssen wir uns jetzt erst mal wieder kümmern.“

Deutschlands Wirtschaft brauche die Politik als „Hürdenräumer“, die steuerliche Belastung von Unternehmen müsse „ebenso runter wie die Bürokratiebelastung“. Er mahnte: „Das Wachstumschancengesetz kann hier nur der Auftakt sein - aber meine klare Erwartung ist, dass das Kabinett es jetzt schnell auf den Weg bringt!“

Der FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sagte, Paus verzögere damit „notwendige Entscheidungen“. Er hoffe auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Robert Habeck wird seiner Kollegin jetzt hoffentlich die Dringlichkeit des Gesetzes klarmachen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Wolfgang Kubicki nennt das Verhalten von Paus „kindisch und unprofessionell“.
Wolfgang Kubicki nennt das Verhalten von Paus „kindisch und unprofessionell“.

© Imago/Photothek/Thomas Trutschel

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai attackierte die Grünen scharf: „Die innere Zerstrittenheit der Grünen verhindert essenzielle wirtschaftliche Impulse, die Deutschland in der derzeitig schwierigen Lage dringend nötig hat“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Ich erwarte, dass diese Blockadehaltung umgehend aufgegeben wird und das Wachstumschancengesetz endlich dazu beitragen kann, die wirtschaftliche Lage in Deutschland zu verbessern.“ 

FDP-Fraktionschef Christian Dürr zeigte sich verärgert. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich kann es offen gestanden kaum fassen: Dem Wirtschaftsminister der Grünen sind die geplanten Entlastungen für unsere Unternehmen eher zu gering und für die Familienministerin sind es zu hohe Entlastungen. Hier laufen die Grünen komplett in unterschiedliche Richtungen. Dass ein Koalitionspartner intern so unterschiedliche Auffassungen bei einer so zentralen Frage hat, macht mich sprachlos.“

Dürr sagte weiter: „Dass Teile der Grünen das komplette Entlastungspaket, das die Unternehmen in Deutschland so dringend brauchen, jetzt stoppen, ist meines Erachtens unverantwortlich.“ 

Grünen-Fraktion stellt sich hinter Paus

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, stellte sich dagegen hinter Paus. „Das Wachstumschancengesetz setzt zwar ein paar gute wirtschaftliche Impulse, diese sind aber gemessen an den Belastungen für die öffentlichen Haushalte zu gering“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Doch wenn schon Geld dafür da ist, dann muss auch Geld für diejenigen da sein, die es am dringendsten benötigen. Da hat Lisa Paus ganz Recht.“

Lisa Paus (l) mit Außenministerin Annalena Baerbock.
Lisa Paus (l) mit Außenministerin Annalena Baerbock.

© dpa/Kay Nietfeld

Auch die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Beck, verteidigte die Blockade: „Natürlich klingt das erstmal sehr, sehr hart“, sagte sie dem Nachrichtensender Welt. Aber ich glaube nicht, dass das jetzt eine superlange, feste Blockade ist, sondern es gibt einfach noch ein bisschen Diskussionsbedarf. Und das ist, glaube ich, nach einer Sommerzeit, wo vielleicht nicht alle immer zeitgleich miteinander sprechen konnten, auch in Ordnung.“

Die SPD-Vizefraktionsvorsitzende Verena Hubertz stellte sich in dem Streit hinter Lindner. „Das Verschieben des Gesetzes ist für mich nicht nachvollziehbar“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Wirtschaft braucht jetzt Maßnahmen. Im Wachstumschancengesetz gibt es einige gute Vorschläge.“

Paus will zuerst mehr Geld für Kinder zugesichert haben

Bis tief in die Nacht und am Mittwochvormittag war nach Angaben verschiedener Regierungsvertreter um eine Einigung gerungen worden. Am Dienstagabend hatte es bereits in der Koalition geheißen: „Die Meinungsbildung innerhalb der Grünen zum Wachstumschancengesetz ist noch nicht ganz abgeschlossen.“ 

Zuvor hatte das „Handelsblatt“ berichtet, dass das Grünen-geführte Familienministerium ein Veto eingelegt habe. Ministerin Lisa Paus halte das Entlastungsvolumen von mehreren Milliarden Euro für Unternehmen für zu hoch, wenn Lindner nicht gleichzeitig mehr Geld für die ab 2025 geplante Kindergrundsicherung zur Verfügung stelle.

Das Gesetz soll eigentlich am Mittwoch vom Kabinett auf den Weg gebracht werden. Lindner hatte am Montag bereits eine Pressekonferenz ankündigen lassen, um nach der Kabinettssitzung das Wachstumschancengesetz und das ebenso geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz zur Förderung von Unternehmensgründungen zu erläutern.

Für die Bundesregierung war es die erste Kabinettssitzung seit drei Wochen nach der Unterbrechung durch die Sommerpause. Auf der Tagesordnung standen weitere Vorhaben wie Vorgaben für die kommunale Planung zur Energieversorgung beim Heizen und auch das Haushaltsfinanzierungsgesetz, das Gesetzesänderungen für Sparvorhaben etwa beim Elterngeld und bei den Bundeszuschüssen zur Renten- und Pflegeversicherung vorsieht. (dpa, Reuters, AFP, höh)

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