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Straßenkämpfe: Griechische Polizei will deeskalieren

Polizei und Regierung in Griechenland fürchten eine Spirale der Gewalt, die außer Kontrolle gerät. Nach den Todesschüssen auf einen 15-Jährigen und den anschließenden Unruhen wollen sie nun versuchen, die Ruhe zu bewahren.

Die Spuren der Gewalt sind allgegenwärtig im Athener Stadtzentrum: Ausgeglühte Autowracks, verwüstete Bankfilialen und geplünderte Geschäfte, rußgeschwärzte Fassaden. Während die Stadtreinigung am Morgen begann, die Spuren der Straßenkämpfe zu beseitigen, besetzten in Berlin Demonstranten das griechische Konsulat, um wegen des Todes eines 15-Jährigen zu protestieren. In Athen hielten Autonome weiter drei Universitätsinstitute in der Innenstadt besetzt, Schüler blockierten Straßenbahngleise, einen S-Bahnhof und mehrere Hauptverkehrsstraßen. In Thessaloniki flogen erneut Brandsätze gegen Autos und Bankfilialen. Die Polizei hielt sich zurück: „Deeskalation“ hat Innenminister Prokopis Pavlopoulos angesagt. Er will vermeiden, dass es jetzt ein weiteres Todesopfer gibt. Sonst könnte die Spirale der Gewalt völlig außer Kontrolle geraten.

Zu den Spuren gehören auch Blumengebinde und Kerzen auf dem Pflaster der Tsavella-Straße im Stadtviertel Exarchia, wo am Samstag alles angefangen hat. Hier brach um kurz nach neun der 15-jährige Alexandros Grigoropoulos zusammen – tödlich in die Brust getroffen von einer Kugel aus der Dienstwaffe des 37-jährigen Polizisten Epaminondas Korkoneas. Die Obduktion des Toten soll jetzt aufklären, ob er von einem Querschläger getroffen wurde, wie der Polizeibeamte behauptet, oder von einem gezielten Schuss, wie es Augenzeugen beobachtet haben wollen.

Anwalt von Todesschütze legt Mandat nieder

Schon jetzt erscheint die Polizeiversion, nach der die zwei Beamten in Notwehr handelten, kaum mehr haltbar: Übereinstimmend berichten alle bisher zu Wort gekommenen Augenzeugen, die Polizisten seien zwar als „Gammler“ beschimpft und mit einer Bierflasche beworfen worden, von einer Notwehrsituation könne aber keine Rede sein. Und Korkoneas habe gezielt auf den Jungen angelegt und abgedrückt. „Sie haben ihn kaltblütig ermordet“, sagt der Augenzeuge Kostas Lilas. „Dann haben sie sich umgedreht und sind einfach davongegangen, als sei nichts geschehen.“ Die beiden Beamten sitzen im Polizeigewahrsam, am Mittwoch sollen sie dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und Beihilfe zum Mord. „Ich wollte nicht töten“, soll Korkoneas versichert haben. Der 37-Jährige gilt als erfahren – und hört wegen seiner offenbar mitunter rabiaten Art unter Kollegen auf den Spitznamen „Rambo“. Einer seiner beiden Anwälte legte am Montag das Mandat nieder. „Einen solchen Mann kann ich nicht verteidigen“, sagte er.

Die politischen Folgen der Todesschüsse sind unabsehbar, nicht nur für die ohnehin angeschlagene Regierung des konservativen Premiers Kostas Karamanlis. Als 1985 ein 15-Jähriger, ebenfalls in Exarchia, von der Polizei erschossen wurde, löste sein Tod über mehrere Wochen gewaltsame Ausschreitungen aus und trieb der elf Jahre zuvor entstandenen Terrororganisation „17. November“ neue Mitglieder in die Arme – die zweite Generation griechischer Terroristen.

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