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Mit jedem Terroranschlag steigt der Rechtfertigungsdruck für viele Muslime. Die Mehrheitsgesellschaft lehnt die Religion stark ab.

© dpa

Studie über Muslime und Islam in Deutschland: Angst vor dem Islam

Bertelsmann-Studie sieht aber auch große Integrationsbereitschaft von Muslimen in Deutschland. Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) fordert mehr Kontakte zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen.

Die Mehrheit der Deutschen lehnt den Islam ab. 57 Prozent von 937 im November 2014 befragten nichtmuslimischen Deutschen sagten auf die von der Bertelsmann-Stiftung gestellte Frage „Als wie bedrohlich, beziehungsweise bereichernd nehmen Sie den Islam wahr?“, dass sie den Islam als „sehr“ oder „eher“ bedrohlich wahrnehmen. 61 Prozent waren der Meinung, dass „der Islam nicht in die westliche Welt passt“. Und 40 Prozent fühlen sich „wegen der vielen Muslime“ wie „Fremde im eigenen Land“. 24 Prozent der Befragten würden Muslimen gerne die Zuwanderung nach Deutschland verbieten.

Im 2013 veröffentlichten „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung wurden 2012 insgesamt 14 000 Menschen in 13 Ländern nach ihren Einstellungen zur Religion befragt. Damals sagten 53 Prozent der befragten Deutschen bereits, dass sie sich vom Islam bedroht fühlten. Ihnen standen allerdings fünf Religionen und der Nichtglaube, also der Atheismus, zur Auswahl. 2012 wurde nicht nur nach dem Islam gefragt. Übrigens sehen die Deutschen auch den Atheismus eher kritisch, mehr als ein Drittel halten es für bedrohlich, wenn Menschen nicht religiös sind, und 16 Prozent sehen im Judentum eine Bedrohung. Die damals schon hohe Ablehnung des Islam war für die Stiftung aber dann Grund genug, eine weitere, tiefer gehende Untersuchung in Auftrag zu geben, sagte Kai Unzicker dem Tagesspiegel.

In Deutschland und der Schweiz ist die Ablehnung besonders groß

Auffällig findet Unzicker, dass die Ablehnung des Islam in Deutschland und der Schweiz besonders hoch ist. Lediglich in Spanien ist das Bild des Islam noch schlechter. In Frankreich, den USA und Großbritannien dagegen, die alle große islamistische Terroranschläge erlebt haben, überwiegt die Ablehnung des Islam zwar ebenfalls die positiven Einstellungen zu der Religion, aber insgesamt ist die Einstellung dazu neutraler. Zugleich sehen sich die Deutschen aber als „weltoffen“ und „offen für andere Religionen“.

Ein weiterer Befund: Je weniger Muslime in einem Bundesland leben, desto größer fällt die Ablehnung aus. Die Bertelsmann-Stiftung hat ermittelt, dass die Sachsen den Islam als bedrohlicher empfinden als die Nordrhein-Westfalen, wo ein Großteil der Muslime lebt. Allerdings haben selbst dort lediglich etwa ein Drittel der nichtmuslimischen Deutschen überhaupt Kontakt zu Muslimen. Auf den Einwand, dass die Datenbasis für so detaillierte Aussagen etwas dünn sei, verteidigt Unzicker die Studie. Deshalb würden nur für große Bundesländer mit „ausreichender Fallzahl“ Aussagen gemacht.

Muslime sind in Deutschland gut integriert

In der Studie geht es allerdings nicht nur um die Einstellung der Mehrheitsgesellschaft zur religiösen Minderheit. Es geht auch um die Einstellung der Muslime zur Mehrheitsgesellschaft und dem Staat, in dem sie leben. 80 Prozent der Muslime, und zwar auch der sehr gläubigen, sind überzeugt, dass die Demokratie die beste Regierungsform ist. Gegen schwule Ehen haben 40 Prozent auch der sehr religiösen Muslime in Deutschland nichts einzuwenden. Und die meisten Muslime verbringen ihre Freizeit mit Nichtmuslimen.

Die Regierungsbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoguz, sieht durch die Studie die These von den „Parallelgesellschaften, in denen es sich Muslime einrichten“, widerlegt. Aber es stimme sie „sehr nachdenklich“, dass 57 Prozent der Deutschen den Islam ablehnten. Özoguz will sich „mit aller Kraft dafür einsetzen“, dass Vorurteile „keine Chance haben“. Es dürfe nicht sein, dass „alle Muslime in Deutschland wegen terroristischer Anschläge unter Generalverdacht gestellt werden“, sagte sie dem Tagesspiegel. Wer konkreten Kontakt zu Muslimen habe, habe keine Angst vor der Religion seines Bekannten, sagt Özoguz. Allerdings schreiben die Autoren der Bertelsmann-Studie, dass Kontakt allein die Ablehnung nicht aufbrechen könne, es müsse „eine bestimmte Qualität des Kontakts“ erreicht werden. Genau das scheint allerdings schwierig zu sein, weil die Mehrheitsgesellschaft und die Minderheiten an einander vorbeileben.

Der Islam als Maßeinheit für Integration

Die Erlanger Expertin für Integrationsdiskurse, Meltem Kulacatan, wundert sich nicht über das schlechte Image des Islam. Bis 1998 sei Deutschland nicht einmal als „Zuwanderungsgesellschaft“ wahrgenommen worden. Die „Gastarbeiter“, so sei das angenommen worden, „würden irgendwann wieder gehen“. Mitte der 2000er Jahre sei dann unter großer medialer Aufmerksamkeit eine intensive Debatte über „sogenannte Ehrenmorde“ geführt worden. Autobiografische Berichte hätten dabei eine große Rolle gespielt. Mit dem Ergebnis, dass der Münsteraner Professor Detlef Pollack 2010 in einer Studie festgestellt hat, dass 70 Prozent der Deutschen den Islam mit „Frauenunterdrückung“ gleichsetzten. Kulacatan kritisiert, dass die Migrationsdebatte in Deutschland fast nur darüber geführt worden sei, ob der Islam „integrationsfähig“ sei, wobei der Anspruch sei, dass „die Minderheit sich integrieren“ müsse.

Und die Berliner Integrationsforscherin Naika Foroutan hat in einer Umfrage unter 8200 Deutschen ermittelt, dass sie unter „Deutschsein“ vor allem einen deutschen Pass und deutsche Sprachkenntnisse verstehen. Das Kopftuch dagegen wird als nichtdeutsch gesehen. Meltem Kulacatan sagt: „Die Entwicklungen sind widersprüchlich und finden gleichzeitig statt.“

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