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Im Streit: Bundesgeschäftsführerin Lemke und Parteichefin Roth. Foto: dapd

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Die Grünen: Troika wider Willen

Bei den Grünen gibt es mit Claudia Roth, Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt nun drei Kandidaten für das Spitzenduo.

Nach der SPD haben nun auch die Grünen ihre Kandidaten-Troika. Parteichefin Claudia Roth hat sich vorsichtshalber gleich selber fürs Spitzenteam bei der kommenden Bundestagswahl beworben. Fraktionschef Jürgen Trittin gilt wegen seiner finanz- und europapolitischen Kompetenz als gesetzt. Und spätestens seit diesem Wochenende ist noch eine Dritte mit im Rennen: die Bundestagsvizepräsidentin, Synodal-Vorsitzende der EKD und frühere Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Mit ihr“, so tat der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer via „taz“ kund, würden die Grünen „auch bürgerliche Wähler der Mitte oder kirchlich orientierte Kreise gewinnen“.

Das Problem dabei: Im Spitzenteam der Grünen ist, der Quote sei Dank, zwar Platz für zwei, nicht aber für drei. Und Palmer, der innerparteilich den Realo-Flügel vertritt, hat es auch nicht versäumt, dem Tandem Roth/Trittin die Eignung abzusprechen. Ein solches Duo würde, so stellte er klar, „die Partei nicht in ihrer Breite repräsentieren“. Zudem lasse man mit den beiden „relevante Wählermilieus außen vor“, mit denen etwa die Wahl in Baden- Württemberg gewonnen wurde. Göring- Eckardt nahm den Ball auf. „Wir Grünen müssen 2013 auch Menschen gewinnen, denen Werte jenseits des Ökonomischen besonders wichtig sind“, sagte sie. „So, wie es uns in Baden-Württemberg gelang.“ Wer will, kann das als Bewerbung lesen. Und als Kritik an der thematischen und personellen Verengung der Partei.

Droht damit nun eine Neuauflage des Flügelstreits zwischen Realos und Fundis? In der Parteispitze sind sie beunruhigt. Eine ausufernde Kandidatendebatte sei das Letzte, was die Grünen derzeit benötigten, heißt es dort. Und der Vorsitzende Cem Özdemir betont, dass sich an Verfahren und Zeitplan nichts geändert habe. „Wir werden im Herbst wie angekündigt entscheiden, mit welchen Köpfen wir in den Wahlkampf für 2013 ziehen“, sagte er dem Tagesspiegel. „Bis dahin rate ich allen Parteifreunden, sich um Themen wie die erfolgreiche Gestaltung der Energiewende oder die Zukunft Europas zu kümmern oder sich gar im verdienten Urlaub zu stärken für die Herausforderung des Bundestagswahlkampfs.“

Manche äußern ihren Ärger auch deutlicher. Er sei „gegen Strippenzieherei und den Versuch, bestimmte Konstellationen über die Medien durchzusetzen oder zu verhindern“, schimpft Ralf Fücks, Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung, über Facebook. Und empfiehlt den Blick zur politischen Konkurrenz. „Wie auch immer die SPD ihr Trilemma löst, sie tut das bisher nicht durch Kannibalisierung ihres Führungspersonals.“

Der Berliner Grüne Hans-Christian Ströbele stört sich an der Begründung des Vorstoßes. Grundsätzlich sei es „prima“, wenn auf weitere mögliche Kandidaten aufmerksam gemacht werde, sagte er dem Tagesspiegel. Die sollten „ruhig aus der Deckung kommen“. Er finde es aber „sehr eigenartig, dass bei der Kandidatenfrage nun ausgerechnet diejenigen wieder das Links-Rechts-Flügelschema bemühen, die immer behauptet haben, diese Flügel gebe es bei den Grünen nicht mehr“. Tatsächlich existierten solche Flügel natürlich weiter – wie bei anderen Parteien auch. Dies spiele aber für Spitzenkandidaten keine Rolle. Mit ihrer Wahl agierten die nämlich nur noch im Sinne der Gesamtpartei. Claudia Roth habe als Parteichefin diesen Anspruch „immer gehabt und auch eingelöst“, so Ströbele. „Sie hat immer wieder gezeigt, dass es ihr als Parteivorsitzende nicht darum geht, linke Flügelpositionen durchzuboxen.“

Dass die Grünen mit Göring-Eckardt mehr bürgerliche Wähler ansprechen würden, bezweifelt der 73-Jährige. Es sei nirgends belegt, dass evangelische Christen grün statt CDU wählten, weil dort eine EKD-Funktionärin an der Spitze stehe. „Die Frage, wie man Wählermilieus erschließt, hängt nicht an der Flügelzugehörigkeit von Personen.“

Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich am Dienstag im Bundesvorstand. Parteichefin Roth und Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke konnten sich dort nicht darauf einigen, wer die offene Stelle des organisatorischen Bundesgeschäftsführers besetzen soll. Nach Zeitungsmeldungen stritten sie so heftig, dass Lemke mit Rücktritt drohte. Rainer Woratschka

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