zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump präsentiert am 8. Mai dieses Jahres das von ihm unterzeichnete Memorandum, das den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran besiegelt.

© imago/UPI Photo

Trump und der Iran: Was tun, wenn er es tut?

Bei einem Angriff der USA auf den Iran wäre auch Israel massiv bedroht. Deutschland geriete deshalb in einen dramatischen Konflikt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Bis zum 20. Januar 2003 dachten Touristiker beim Klang des Namens Goslar an eine schöne, alte Stadt, Historiker an ein einstiges Zentrum des Heiligen Römischen Reiches und Juristen an den Deutschen Verkehrsgerichtstag. Seit dem 21. Januar 2003 steht Goslar für die Ankündigung Bundeskanzler Gerhard Schröders in Goslar, Deutschland werde einen Krieg der USA gegen Irak weder befürworten noch an ihm teilnehmen. Die Bundesrepublik war zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Weltsicherheitsrates. Im politischen Vokabular des Landes verbindet sich mit Goslar seitdem ein außen- und sicherheitspolitischer Alleingang, von dem sich herausstellte, dass er klug war.

Seit einigen Wochen wird in den von der Öffentlichkeit noch abgeschirmten Runden der Experten wieder über Goslar nachgedacht – über Goslar II. Dabei geht es um die Frage, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel im Fall eines US-geführten Kampfeinsatzes gegen Iran Deutschland aus diesem militärischen Konflikt heraushalten könnte oder im Interesse der Glaubwürdigkeit heraushalten müsste. Donald Trump scheint bereit, den Streit um das Iran-Abkommen bis zum Krieg eskalieren zu lassen, obwohl alle europäischen Staaten, die am Zustandekommen des Paktes beteiligt waren, geradezu verzweifelt davor warnen. Für den amerikanischen Präsidenten und weit mehr noch seinen bösartig-klugen Sicherheitsberater Bolton ist die Drohung mit Krieg aber nicht der letzte Ausweg, sondern eine bevorzugte politische Option. Die Ausgangslage ist speziell für Deutschland weit dramatischer als die, vor der Merkels Vorgänger Schröder vor 15 Jahren stand. In einen Krieg gegen Iran wäre zwangsweise Israel mit verwickelt – Israel, mit dessen Vernichtung das Regime in Teheran permanent droht, Israel, dem gegenüber Deutschland in einer besonderen historischen Verantwortung steht.

Die Gefahr, in der der jüdische Staat angesichts der Bedrohung durch den Iran steht, ist höchst real. Sie existiert nicht nur in der rhetorischen Dramatik Benjamin Netanjahus. Die Frage, wie Deutschland sich verhalten würde, ist weniger eine der militärischen Teilnahme. Dazu ist die Bundeswehr, abgerüstet und kaputtgespart, ohnedies nicht in der Lage, Aber es geht um Logistik, um Luftaufklärung, um Nutzung der amerikanischen Stützpunkte auf deutschem Boden und der Flughäfen. Die Bundesregierung ist in einer Zwangslage. Deshalb erklären manche außenpolitische Analytiker, sie wollten über Goslar II in dieser Dimension lieber nicht nachdenken – und tun natürlich genau das. Es ihr Job. Andere sind bei diesem Thema so entsetzt, als würden sie in einen Abgrund schauen, ein Dritter versucht nicht einmal, seine Sorge zu verstecken.

Eine leise Zuversicht, die letzte Eskalation verhindern zu können, gewinnt ihre Berechtigung aus einem gravierenden Unterschied zwischen der Lage im Jahr 2018 und der 2003: Diesmal ist sich Europa in der Ablehnung von Trumps Hazard-Politik völlig einig. Es gibt keine Aufteilung im Stile eines Donald Rumsfeld in ein altes, weil nicht willfähriges, und ein neues, weil folgsames Europa. Das Abkommen mit dem Iran wollen sie alle retten. Neben der Vereinbarung mit Russland über das Einfrieren des Krieges in der Ost-Ukraine ist der Atomvertrag mit Teheran der einzige außenpolitische Erfolg der Europäischen Union überhaupt. Die EU kann es sich aus Gründen der Selbstachtung nicht leisten, diese Vereinbarung widerstandslos aufzugeben. Nach einer solchen Kapitulation würde sie, zudem durch den Brexit geschwächt, nirgendwo mehr für voll genommen.

Wie Europa auf US-Handelssanktionen, die den eigenen Unternehmen Fesseln anlegen, reagiert, ist eine schwierige, aber nicht die heikelste Frage. Zeigt sich, dass es Trump im Iran nicht nur um den Stopp des Atomprogramms geht, sondern um einen durch Krieg erzwungenen Regime-Change, gäbe es nur noch eines: Hände weg! Irak, Syrien, Afghanistan und Libyen sind Menetekel genug.

Zur Startseite