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Türkei: Ankara verspricht Versöhnung mit den Kurden

Ein Reformpaket soll den Terror der PKK beenden – doch für die türkischen Nationalisten grenzen die Vorhaben an Hochverrat.

Die türkische Regierung hat am Dienstag den ersten parlamentarischen Schritt für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts getan. Innenminister Besir Atalay brachte im Parlament von Ankara offiziell eine Reform-Initiative zur Beendigung des vor 25 Jahren begonnenen Aufstandes der PKK-Kurdenrebellen ein. „Es ist ein Projekt der nationalen Einheit und Brüderlichkeit“, sagte Atalay.

Doch es wurde schnell deutlich, wie schwer es die Regierung hat, ihre Pläne auch nur zu erläutern: Aufgrund von Anträgen der Opposition verzögerte sich der Beginn der Debatte im Plenum um mehrere Stunden. Atalay konnte erst am Abend seine Rede halten und wurde mehrfach durch wütende Zwischenrufe unterbrochen. „Ihr zerstückelt das Land“, rief der Oppositionsabgeordnete Kemal Anadol in der zeitweise sehr lautstark ausgetragenen Auseinandersetzung. „Schämt euch.“ Atalay kündigte für den zweiten Tag der Debatte an diesem Donnerstag die Vorlage von Maßnahmen zur Beendigung des Kurdenkonflikts an. Auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will im Parlament zum Kurdenkonflikt sprechen, der seit 1984 mehr als 40 000 Menschen das Leben gekostet hat. Nach Medienberichten will der Premier einen bis zu 15 Punkte umfassenden Plan präsentieren.

Die Regierung verfolgt mit ihrem Vorhaben eine Doppelstrategie. Zum einen sollen kleine, aber konkrete Schritte dazu beitragen, vielen Kurden das Gefühl zu nehmen, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden und im Namen des Terrorkampfs unter Diskriminierung zu leiden. Zum anderen sollen möglichst viele PKK-Kämpfer mit Amnestie-Angeboten aus den Bergen geholt werden.

Erdogans Regierung will kurdischen Dörfern und Städten die Möglichkeit geben, zu ihren kurdischen Ortsnamen zurückzukehren, die in den vergangenen Jahrzehnten durch türkische Namen ersetzt worden waren. An staatlichen Universitäten werden Institute für kurdische Sprache und Literatur eingerichtet.

Mit einem bereits am Dienstag eingebrachten Gesetzentwurf will die Regierung darüber hinaus die Strafen für Jugendliche abmildern, die bei PKK-Demonstrationen Steine werfen. Bisher wurden diese Minderjährigen als „Terroristen“ gesehen und zu hohen Haftstrafen verurteilt. Künftig sollen sie vor Jugendgerichte kommen, wo „alternative Strafen“ wie die Verpflichtung zu gemeinnützigen Arbeiten möglich sind.

Gleichzeitig verstärkt die Regierung Erdogan die Zusammenarbeit mit dem Irak, wo die PKK ihr Hauptquartier hat. Irakischer Druck und Angebote an PKK-Mitglieder zur Rückkehr in die Türkei sollen die Rebellengruppen bewegen, sich aufzulösen. Allerdings legte die Regierung das Rückkehrprogramm nach der Ankunft von 34 PKK-Anhängern in der Türkei auf Eis: Kurdische Siegesfeiern für die Heimkehrer hatten die Öffentlichkeit aufgebracht. Das Rückkehrprogramm soll aber bald wieder aufgenommen werden.

Für die türkischen Nationalisten grenzen all diese Vorhaben an Hochverrat. Die nominell sozialdemokratische, aber in den vergangenen Jahren immer mehr an den rechten Rand gerückte Oppositionspartei CHP warf der Regierung am Dienstag vor, einen „Plan gegen die Republik“ zu schmieden. Die CHP-Abgeordneten trugen schwarze Trauerflore am Arm, auch aus Protest dagegen, dass Erdogan den Beginn der Kurdendebatte auf den Todestag von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk legen ließ. Die nationalistische Partei MHP sprach von einem „Projekt des Verrats“, dessen wirkliche Autoren die USA und die EU seien. Die Kritik der Nationalisten zeigt Wirkung. Laut einer Umfrage ist die Unterstützung für Erdogans Regierungspartei AKP insbesondere wegen der PKK-Siegesfeiern stark zurückgegangen.

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