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Türkei: Darf ein "Popstar" Kopftuch tragen?

Eine fromm verhüllte Bewerberin im türkischen Fernsehen sorgt für Aufsehen. Cigdem Özdemir nahm an der türkischen Version von "Popstars" teil - als erste Bewerberin mit Kopftuch.

Cigdem Özdemir kann singen, so weit sind sich alle einig. Die Krankenhausangestellte aus dem nordwesttürkischen Bursa war eine der besten Kandidatinnen in der neuen Staffel der türkischen Version des "Popstar"-Wettbewerbes, der jetzt im Privatsender Fox begann. Von einem Jurymitglied, der prominenten Sängerin Bülent Ersoy, erhielt Özdemir nach ihrem Vortrag bei "Popstar alaturka" sogar die höchste Punktzahl. Aber nicht so sehr wegen ihrer Stimme, wie Ersoy freimütig bekannte, sondern wegen ihres Bühnenoutfits: Cigdem Özdemir ist die erste "Popstar"-Bewerberin im Kopftuch.

Damit ist sie eine Sensation. Als säkuläre Republik verbietet die Türkei das Kopftuch in staatlichen Institutionen und an Universitäten, obwohl zwei von drei Türkinnen ihr Haar verhüllen. Doch die Kopftuch-Frauen sind auf dem gesellschaftlichen Vormarsch. Viele fromm-konservative Türken sind in den vergangenen Jahren zu Wohlstand gekommen und zeigen sich heutzutage mit teuren Autos und in teuren Einkaufszentren. Selbst im Präsidentenpalast von Ankara ist seit mehr als zwei Jahren eine fromme Muslimin die Hausherrin: Hayrünnissa Gül, die Ehefrau des Staatsoberhauptes Abdullah Gül, trägt ebenfalls ein Kopftuch.

Und jetzt schicken sich die frommen Türkinnen auch noch an, das Privatfernsehen zu erobern. Özdemir, die in einem Privatkrankenhaus arbeitet und nicht in einer staatlichen Klinik, betrat die Bühne in einem auberginenfarbenen und bodenlangen Kleid mit passendem Kopftuch. So etwas ist das türkische Fernsehpublikum bei weiblichen Teilnehmern der "Popstar"-Sendungen nicht gewohnt, denn da dominieren offenherzige Outfits in der Art, wie Jurymitglied Gülben Ergen es vorführte: schulterfrei und tief ausgeschnitten.

Deshalb war es kein Wunder, dass die 27-jährige Özdemir nach ihrem klassischen Liebeslied "Weißt du schon?" ins Kreuzverhör genommen wurde. Natürlich könne jeder anziehen, was er wolle, sagte Jurymitglied Armagan Caglayan, der nach der Sendung wegen seiner eigenen Kleiderwahl - er trug kurze Hosen - kritisiert wurde. "Aber das hier ist doch eine Show."

Bisher trat Cigdem Özdemir in ihrer Freizeit bei städtischen Veranstaltungen in Bursa und in einem Teehaus ohne Alkoholausschank in ihrer Heimatstadt auf. Mit "Popstar alaturka" winkt ihr jetzt eine nationale Karriere, und da könne es Probleme geben, meinte Caglayan. "Was passiert denn, wenn Du hier gewinnst - singst Du dann auch in einer Bar mit Alkohol?" Das wolle sie auf keinen Fall, antwortete die fromme Kandidatin.

Unterstützung erhielt Özdemir von Caglayans Jury-Kollegin Bülent Ersoy: In einer Demokratie dürfe niemand wegen seiner Kleidung an den Pranger gestellt werden, sagte Ersoy und gab Özdemir unter dem Beifall des Publikums demonstrativ die Bestnote, zehn Punkte für den Gesangsvortrag und zehn weitere für ihre Bühnenpräsenz.

Seit Özdemirs Auftritt am vergangenen Wochenende wird über den Kopftuch-Popstar diskutiert. Nicht alle Kommentatoren sind mit Bülent Ersoy einer Meinung. Warum wohl habe es bisher keine Kopftuch-Kandidatin bei solchen Sendungen gegeben, fragte die Kolumnistin Ayse Özyilmazel in der Zeitung "Sabah", und sie lieferte die Anwort gleich mit: Popstar zu sein bedeute, ein Produkt der Pop-Kultur zu sein, und dazu passten nun einmal keine Kopftücher. Weder in Europa noch in Amerika habe es jemals einen Popstar im Kopftuch gegeben.

Vielleicht ist Cigdem Özdemirs Kopftuch ja auch nicht echt. In Internetforen kursiert das Gerücht, die Kandidatin sei wohl nicht ganz so strenggläubig, wie es im Fernsehen den Anschein gehabt habe. Im Alltag verhülle die Kandidatin ihre Haar überhaupt nicht, argwöhnte der Teilnehmer eines Forums: "Da haben sie eine Frau dafür bezahlt, sich ein Kopftuch anzuziehen, um ihre Einschaltquoten hochzutreiben."

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