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Türkei: Die Opposition hofft auf Istanbul

Der Oppositionspolitiker Mustafa Sarigül will Oberbürgermeister der türkischen Metropole werden - und damit auch die Machtbasis von Premier Recep Tayyip Erdogan angreifen.

Mustafa Sarigül ist der neue Hoffnungsträger der türkischen Opposition – und der Mann, der die Ära von Recep Tayyip Erdogan beenden will. Sarigül, Bürgermeister des reichen Istanbuler Stadtbezirks Sisli, will an diesem Mittwoch offiziell seinen Wahlkampf für das Amt des Istanbuler Bürgermeisters beginnen. Umfragen zufolge hat er die Chance, bei der Abstimmung in vier Monaten den Amtsinhaber Kadir Topbas aus Erdogans Regierungspartei AKP zu schlagen und damit die zwanzigjährige Herrschaft der gemäßigten Islamisten in der Metropole zu beenden. Sollte der 57-jährige Sarigül Erfolg haben, wäre das ein schwerer Schlag für Erdogan. Wer Istanbul regiert, regiert die Türkei, lautet ein alter Leitspruch der türkischen Politik.
Die „Zeit für eine neue Regierung“ in Istanbul sei gekommen, verkündete Sarigül vor wenigen Tagen. Der telegene und wortgewandte Politiker gilt bei Oppositionsanhängern als Mann, der es mit Erdogan aufnehmen könnte, ganz anders als der hölzerne und glücklos agierende Oppositionsführers Kemal Kilicdaroglu. Dessen Vorgänger Deniz Baykal hatte Sarigül einst aus der Oppositionspartei CHP werfen lassen, weil er den innerparteilichen Gegner loswerden wollte.
Vor wenigen Wochen trat Sarigül mit Kilicdaroglus Segen wieder in die CHP ein – er soll für die Partei die Metropole Istanbul erobern. Zwar gibt es nach wie vor innerparteilichen Widerstand gegen den Mann aus Sisli. Laut Umfragen aber hat Sarigül die besten Chancen aller Oppositionsvertreter, bei den Kommunalwahlen am 30. März zum Oberbürgermeister gewählt zu werden. Selbstbewusstsein hat Sarigül jedenfalls genug: Für seinen Wahlkampfauftakt wählte er zwei Stadtbezirke, die als AKP-Hochburgen gelten.
Das spricht dafür, dass Sarigül auch außerhalb der traditionellen CHP-Wählerschaft potenzielle Anhänger gewinnen will. Berührungsängste im Umgang mit religiösen Wählergruppen hat er nicht. So umgarnt er die mächtige Bewegung des islamischen Gelehrten und Predigers Fethullah Gülen. Vor allem aber hofft Sarigül auf Rückenwind durch die Protestbewegung, die im Juni mit der Besetzung des Istanbuler Gezi-Parks weltweit Schlagzeilen machte. Das harte Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten hatte viele Wähler entsetzt. Sarigül stellte sich öffentlich auf die Seite der Demonstranten und erklärte, auch er habe das Tränengas der Polizei zu spüren bekommen.
Die Wahl hat hohe symbolische Bedeutung. Die 15-Millionen-Stadt ist das wirtschaftliche und kulturelle Herz der Türkei und liefert fast die Hälfte des gesamten Steueraufkommens im Land. Erdogan begann seine Politikerkarriere 1994 als Istanbuler Oberbürgermeister. Seit dieser Zeit regieren die Religiös-Konservativen die Stadt; der 68-jährige Topbas führt die Metropole seit 2004 für die AKP. Sollte Sarigül in Istanbul gewinnen, würde ihn das auf nationaler Ebene zu einem ernsthaften Gegner Erdogans machen. Noch ist es nicht soweit. Doch die Erdogan-Partei wisse, dass es nicht leicht sein werde, Sarigül zu schlagen, kommentierte die Zeitung „Milliyet".

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