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Der Anschlag im türkischen Reyhanli hat massive Schäden verursacht.

© Reuters

Türkei und Syrien: Angst vor Ansteckung

Der Syrienkonflikt greift auf die Türkei über. Nach dem Terroranschlag in Reyhanli fürchten türkische Alawiten Racheakte.

Istanbul - Nach dem Bombenanschlag von Reyhanli wächst die Furcht vor Spannungen zwischen Sunniten und Alawiten in der Türkei. Ein führender Menschenrechtler warnte vor Racheakten gegen die Alawiten, aus deren Reihen die Bombenleger gekommen sein sollen. Anzeichen für eine Konfrontation gibt es auch auf der politischen Ebene. Die türkische Opposition machte syrische Rebellen mit Verbindungen zu Al Qaida für den Anschlag verantwortlich und warf der Erdogan-Regierung vor, das Land mit dem Hinweis auf die angebliche Täterschaft von Assad-Anhängern zu belügen.

Ismail Boyraz, Generalsekretär des angesehenen Menschenrechtsverbandes IHD, sagte dem Tagesspiegel, er befürchte, dass der Anschlag von Reyhanli mit seinen 46 Todesopfern bestehende Spannungen in der Grenzprovinz Hatay verschlimmern könnte. Schon vor der Gewalttat seien dort arabische Alawiten, die eng mit den in Syrien regierenden Alawiten verwandt sind, sehr besorgt gewesen, weil bewaffnete syrische Rebellen offen auf den Straßen zu sehen gewesen seien. Nach dem Anschlag von Reyhanli waren Autos mit syrischen Kennzeichen in der Stadt attackiert worden. Künftig könne der Konflikt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der alawitischen Minderheit in Syrien noch stärker auf türkisches Gebiet übergreifen, fürchtet Boyraz: „Racheakte gegen Alawiten sind möglich.“

Auch Hasan Kanbolat, Chef der Denkfabrik Orsam in Ankara, warnt vor einer Eskalation. In Syrien drohe eine Situation wie im Irak, die durch blutige konfessionelle Konflikte und eine schwache Zentralregierung gekennzeichnet sei. Aus Sicht der türkischen Opposition ist die Regierung von Premier Recep Tayyip Erdogan mitverantwortlich für diese Entwicklung. Ankara habe die Grenzregion den syrischen Rebellen überlassen, sagte der Oppositionsabgeordnete Mehmet Ali Ediboglu aus Hatay. Er widersprach der These der Regierung, wonach der Anschlag von Mitgliedern der linksextremen türkischen Splittergruppe der „Acilcilar“ verübt wurde, die im Auftrag des syrischen Geheimdienstes handelten. Ediboglu sagte, der „sehr professionelle“ Anschlag deute auf die Täterschaft der syrischen Al-Nusra-Gruppe hin. Die zum Al-Qaida-Netzwerk gehörenden islamistischen Extremisten hätten die Bombe von Reyhanli gezündet, um die Türkei auf der Seite der syrischen Opposition in den Krieg zu ziehen, sagte Ediboglu. Regierungschef Erdogan selbst wiederholte am Montag, die Spuren zur syrischen Regierung seien deutlich. Thomas Seibert

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