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Türkei: Vier Tote nach Anschlag in Istanbul: PKK-Gruppe bekennt sich

Mit einem tödlichen Bombenanschlag auf einen Buskonvoi mit Soldaten in Istanbul haben kurdische Extremisten am Montag die Gewalt in der Türkei weiter eskalieren lassen. Inzwischen hat sich eine PKK-Untergruppe bekannt.

Vier Soldaten und die 17-jährige Tochter eines Militärs wurden getötet, ein Dutzend weitere Soldaten wurden verletzt. Die Ausführung des Anschlags erinnerte an die Gewalt im Irak: Per Handy zündeten die Täter ihren im Straßengraben versteckten Sprengsatz, als die Busse vorüberfuhren. „Der Terror erreicht die Städte“, kommentierte der türkische Nachrichtensender NTV. Weitere Anschläge sind zu befürchten, möglicherweise auch in den Urlaubsgebieten der Türkei.

Zu dem Anschlag auf die Busse im Istanbuler Stadtteil Halkali in der Nähe des Atatürk-Flughafens in der Metropole bekannten sich die „Freiheitsfalken Kurdistans“ (TAK), eine Unterorganisation der PKK-Kurdenrebellen. Schon am 8. Juni hatte die TAK in der Nähe einen Polizeibus in die Luft gejagt, 15 Beamte verletzt und anschließend mit Gewaltaktionen auch in den Ferienregionen im Süden und Westen der Türkei. Auch jetzt erklärte die TAK, die Gewaltaktionen würden weiter zunehmen.

In den vergangenen Tagen hatte die PKK mindestens 13 türkische Soldaten getötet; nach Armee-Angaben starben 21 Rebellen bei Gefechten seit Mitte Juni. Die Staats- und Militärführung in Ankara kündigte einen verstärkten Kampf gegen die PKK an. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, die PKK-Kämpfer würden „in ihrem eigenen Blut ertrinken“.

Mit der neuen Gewaltwelle nach einer Periode relativer Ruhe will die PKK den türkischen Staat dazu zwingen, sie selbst und besonders ihren inhaftierten Chef Abdullah Öcalan als Gesprächspartner bei der Suche nach einer Lösung des Kurdenkonfliktes zu akzeptieren. Ankara lehnt dies bisher strikt ab. Rechtsnationalisten fordern eine neue Welle der Repression, doch das geht selbst den Militärs zu weit.

Rund 26 Jahre nach dem Beginn des bewaffneten Kampfes stellt die türkische Öffentlichkeit mit einer Mischung aus Entsetzen und Resignation fest, dass kein Mittel geeignet scheint, die Gewalt zu beenden. Selbst vehementer militärischer Druck, verbunden mit dem Kriegsrecht in den Kurdengebieten, der Zwangsräumung tausender Dörfer und vielen Menschenrechtsverletzungen hatten in den 1990er Jahren die PKK nicht in die Knie zwingen können.

Auch die seit zwei Jahren sehr enge geheimdienstliche Zusammenarbeit der Türkei mit den USA und dem Irak konnte die im Nordirak verschanzte PKK nicht entscheidend schwächen. Nach Erkenntnissen türkischer Sicherheitsbehörden konnten sich die Rebellen in den Jahren nach der Entmachtung Saddam Husseins im Irak mit dem Material und dem Know-How für Anschläge mit Bomben in Straßengräben versorgen. Hin und wieder gelingt es der türkischen Polizei, PKK-Kuriere mit Plastiksprengstoff für künftige Anschläge zu fassen. Doch unterbunden wird der Bombentransport dadurch nicht, wie sich am Montag in Istanbul wieder zeigte.

Erdogan versuchte es zuletzt mit dem Versprechen politischer Reformen zugunsten der Kurden, doch er zauderte so lange mit der konkreten Umsetzung der Pläne, dass der erhoffte Effekt auf die Kurden verpuffte.

Wie also kann der Konflikt gelöst werden? In der bürgerlichen Presse wird inzwischen das Undenkbare gedacht. Kommentatoren bringen Lösungsmöglichkeiten ins Gespräch, die für türkische Nationalisten blanker Hochverrat sind. Der Kolumnist Semih Idiz erinnerte die Leser der Zeitung „Milliyet“ daran, dass der IRA-Konflikt in Nordirland nicht zuletzt dadurch gelöst wurde, dass die britische Regierung auch mit IRA-Vertretern sprach. Ismet Berkan, der Chefredakteur der liberalen Zeitung „Radikal“, sprach sich für Gespräche zwischen Ankara und Öcalan aus. Ein weiterer prominenter Journalist, Taha Akyol, empfahl sogar eine Grenzbegradigung im türkischen Südosten – was auf die Abtrennung eines Teils des türkischen Staatsgebietes hinauslaufen würde.

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