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Politik: Türkische Armee stellt sich gegen Erdogan

Auch die Opposition und die EU reagieren skeptisch auf Zypernvorschlag / Brüssel verlangt schriftliche Fassung des Angebots

Yasar Büyükanit ist es nicht gewohnt, dass man ihn bei wichtigen politischen Entscheidungen übergeht. Deshalb meldete sich der Chef der türkischen Armee am Freitag in „Hürriyet“, der größten Zeitung des Landes, mit scharfer Kritik an der Regierung zu Wort. Aus dem Fernsehen habe er von dem Vorschlag Ankaras erfahren, einen Hafen für griechisch-zyprische Schiffe zu öffnen, beschwerte sich der General. „Hätte man nicht die Meinung einer Institution einholen sollen, die 40 000 Soldaten auf Zypern stationiert hat?“ Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe einen „Bruch“ mit der bisherigen Zypernpolitik der Türkei vollzogen. Natürlich sei es Sache der Regierung, solche Entscheidungen zu treffen, gab Büyükanit zu. „Ich bin nicht derjenige, der die Türkei regiert“, sagte der General. Trotzdem hätte die Armee gefragt werden müssen.

Zum ersten Mal nahm auch Erdogan selbst an der Debatte über seinen Vorschlag teil. Seine Regierung werde die türkischen Zyprer nicht alleine lassen, sei aber an europapolitischen Fortschritten interessiert, sagte er. „Politik ist die Kunst, Ergebnisse zu erzielen.“ Zu Details seines Zypernvorschlags äußerte er sich nicht. Nach dem Plan öffnet die Türkei einen Hafen für die griechischen Zyprer und erwartet im Gegenzug eine Lockerung des Handelsembargos gegen den türkischen Sektor der geteilten Mittelmeerinsel innerhalb eines Jahres.

Oppositionschef Deniz Baykal wetterte, die Türkei sei den Europäern auf den Leim gegangen. Die Türkei hätte schon der Ausweitung der Zollunion mit der EU auf Zypern niemals zustimmen dürfen, erklärte Aanap, eine weitere Oppositionspartei. Große Teile der türkischen Presse unterstützten Erdogan dagegen. Ankara habe die griechischen Zyprer mit dem Vorschlag „in die Ecke gedrängt“, hieß es nicht nur in regierungsnahen Zeitungen. Auch die türkische Wirtschaft schlug sich auf Erdogans Seite.

In der EU stieß der Vorschlag auf Skepsis. „Was die Türkei mitgeteilt hat, ist nicht genug“, sagte der derzeitige finnische EU-Ratspräsident Matti Vanhanen am Freitag in Brüssel. In Diplomatenkreisen hieß es dort am Nachmittag, dass es trotz langer Telefonate des finnischen Außenministers Erkki Tuomioja mit der Regierung in Ankara nicht gelungen sei, eine schriftliche Fassung des Vorschlages der Türkei zu bekommen. Unter den EU-Botschaftern habe am Freitag die einhellige Auffassung geherrscht, nicht über einen Vorschlag zu diskutieren, der nur in mündlicher Form vorliege.

Am Montag wollen sich die EU-Außenminister mit der Türkeifrage beschäftigen. In den Diplomatenkreisen wurde die Erwartung geäußert, dass den Ministern mangels einer schriftlichen Erklärung aus Ankara weiter eine Empfehlung der EU- Kommission als Grundlage dienen werde. Die Brüsseler Behörde hatte vorgeschlagen, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei wegen der Haltung Ankaras im Zypernstreit in acht der 35 Verhandlungskapitel auszusetzen. Die 25 EU-Staaten sind sich aber uneinig, ob sie den Vorschlag abschwächen oder sogar noch verschärfen sollen. Unklar ist ebenfalls noch, wie sich der EU-Gipfel Ende kommender Woche mit der Türkei befassen wird: EU-Ratspräsident Vanhanen rechnete damit, dass der Streit unter den EU-Ländern nicht beim Gipfel hochkochen wird. Hingegen hieß es in Diplomatenkreisen, das sei ein „frommer Wunsch“.

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