zum Hauptinhalt

Politik: Türkische Armee droht Kurden im Irak

Selbst über Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und dessen Nein zur türkischen EU-Mitgliedschaft kann sich derzeit in Ankara kaum jemand so richtig aufregen: An Europa denken die türkischen Politiker in diesen Tagen nur selten – es gibt einfach zu viele andere Krisen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird sich bei einem Besuch in der Türkei an diesem Montag aus erster Hand davon überzeugen können, wie sehr das sonst so heiß diskutierte Thema der EU-Bewerbung für die Türken in den Hintergrund geraten ist.

Selbst über Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und dessen Nein zur türkischen EU-Mitgliedschaft kann sich derzeit in Ankara kaum jemand so richtig aufregen: An Europa denken die türkischen Politiker in diesen Tagen nur selten – es gibt einfach zu viele andere Krisen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird sich bei einem Besuch in der Türkei an diesem Montag aus erster Hand davon überzeugen können, wie sehr das sonst so heiß diskutierte Thema der EU-Bewerbung für die Türken in den Hintergrund geraten ist. Die politische Tagesordnung in Ankara wird von heftigen Debatten über das Präsidentenamt und über eine mögliche Militärintervention im Nordirak beherrscht.

Steinmeier bildet als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit seinem portugiesischen Kollegen Luis Amado und Erweiterungskommissar Olli Rehn die „EU-Troika“. Die drei Politiker treffen in Ankara auf einen Außenminister Abdullah Gül, der im Zentrum der innenpolitischen Turbulenzen in der Türkei steht: Gül will Staatspräsident werden, was die politischen Gegner der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verhindern wollen. Während Steinmeier, Amado, Rehn und Gül über den Fortgang der türkischen EU-Gespräche beraten, bereitet die Oppositionspartei CHP einen neuen Gang vors türkische Verfassungsgericht vor, um Güls Präsidentenpläne endgültig zu Fall zu bringen.

Zudem steckt Gül mitten im Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am 22. Juli, in dem nicht nur der Präsidentenstreit eine wichtige Rolle spielt. So dürften die Militärs ihre jüngsten Forderungen nach einer Intervention im Nordirak mit Blick auf den Wahlkampf zugespitzt haben. Generalstabschef Yasar Büyükanit, ein Gegner Erdogans, hat es offenbar darauf angelegt, die Regierung beim Thema Irak in die Enge zu treiben. Büyükanit hatte bereits im April ein politisches Mandat für eine Militäraktion verlangt, um im Nordirak gegen Lager der PKK-Kurdenrebellen vorgehen zu können. Jetzt legte er nach und kritisierte die Autonomiebestrebungen der irakischen Kurden. Der General warf die Frage auf, ob die türkischen Truppen im Nordirak auch gegen diese Tendenzen und möglicherweise sogar gegen die Amerikaner kämpfen sollten. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki und US-Verteidigungsminister Robert Gates warnten die Türkei unterdessen vor einem militärischen Vorstoß in den Nordirak.

Kurz vor Steinmeiers Ankunft in Ankara eskalierte die Lage noch weiter. Sicherheitskräfte der irakischen Kurden sollen türkische Soldaten beleidigt haben. Büyükanit drohte darauf mit Strafaktionen seiner Truppen. Die Türkei hat seit den Neunzigerjahren kleinere Verbände mit rund 2000 Mann im Nordirak stationiert.

Dass die Armee auf einen Einmarsch und ein klares politisches Mandat dringt, hängt mit dem Wahlkampf zusammen. Wenn Erdogan die Erlaubnis für den Einmarsch verweigert, kann er als vaterlandsloser Geselle präsentiert werden: „Die Säkularisten wollen Erdogan als Lakaien Washingtons hinstellen“, schrieb der außenpolitische Kolumnist Semih Idiz. Gibt Erdogan aber grünes Licht für eine Intervention, die türkische Verluste und außenpolitische Probleme nach sich zieht, dann trüge er auch dafür die politische Verantwortung. Generäle kann man schließlich nicht abwählen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false