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Wer soll den Daumen heben oder senken bei Koalitionsverhandlungen?

© imago images/Shotshop

Wer hat das Sagen in der Politik?: Über Koalitionen sollte nicht die Basis entscheiden

Die Wahl ist entschieden, nun sind die Abgeordneten im Parlament am Zug. Warum ein Vetorecht für Parteigremien und Parteimitglieder falsch ist. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Regierungsbildung im Mehrparteiensystem ist ein bisschen wie Square Dance. Figuren, Positionen und Tanzpartner wechseln ständig. Heute Ampel, morgen Jamaika. Erst Grün-Gelb, dann Rot-Grün, es geht weiter mit Rot-Gelb, dann das Gleiche mit Schwarz, zwischendurch ein Ringelpiez von CDU und CSU ohne Anfassen. Das Backen von Koalitionen ist ein vielschichtiges Geschäft. Vorsondierung, Hauptsondierung, vielleicht Nachsondierung. Und dann die Koalitionsverhandlungen in größerer Runde, mit mehr Öffentlichkeitsarbeit, Ad-hoc-Marketing und Twitterei. So ist es eben. Die Zuschauer sind gebeten, sich jedenfalls zu Beginn ein wenig in Geduld üben.

Aber 2017 darf sich nicht wiederholen. Der Satz fiel am Wochenende nicht nur beim Grünen-Länderrat häufiger. Und er stimmt: In den kommenden drei Monaten kann und muss eine Koalitionsbildung gelingen. Die Schnittmengen in beiden Optionen, um die es jetzt geht, also Ampel und Jamaika, sind unterschiedlich – aber sie sind vorhanden und groß genug, um vier Jahre Regierung darauf zu gründen. Die großen Themen mögen im Wahlkampf ein wenig unterbelichtet gewesen sein. Aber sie sind ja da. Es gibt etwas zu tun.

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Was ein flaues Gefühl aufkommen lässt, ist die Gefahr, die gegen Ende des Partnerfindungsprozesses lauert. Das ist die Basisbeteiligung. Die Grünen haben beschlossen, Koalitionsverhandlungen erst nach Zustimmung eines Parteitags aufzunehmen, einen Koalitionsvertrag samt Personaltableau der Partei sollen die Mitglieder in einer Abstimmung absegnen. Auch die SPD wird wohl wieder ein Basisvotum einholen. Und wer weiß, Union und FDP bald auch noch.

Zweifaches Risiko

Darin steckt ein zweifaches Risiko. Das erste: Die Verhandler nutzen das spätere Zustimmungserfordernis in den Gesprächen als Druckmittel. Das aber macht Verhandlungen schwieriger als nötig. Das zweite: Es könnte tatsächlich ein Basis-Veto geben.

Aber warum die Basis? Die Wahl hat stattgefunden. Die wichtigste Aufgabe der Parteien, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, wie es im Grundgesetz heißt, ist erfüllt. Nun sollten allein die Gewählten das Sagen haben. Sie sind aufgefordert, im Bundestag nicht nur für ihre Partei, sondern für das ganze Volk zu handeln. Dass Koalitionsbildung vorrangig als eine Aufgabe für Parteigremien bis hin zur Mitgliederbefragung gesehen wird und viel zu wenig als wichtigste Aufgabe der Parlamentsfraktionen, ist kein guter Brauch.

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