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Eine Frau läuft in Cherson eine Straße entlang, während eine bewaffnete Patrouille der russischen Besatzer im Hintergrund fährt.

© IMAGO/ITAR-TASS/Sergei Bobylev

Ukraine-Invasion Tag 173: So stimmen die russischen Besatzer die Ukrainer auf mögliche Referenden ein

Russland schlägt Feuerpause um AKW Saporischschja vor, Griner geht in Berufung. Der Überblick am Abend.

Schon seit geraumer Zeit wird erwartet, dass Russland in den besetzten ukrainischen Gebieten Scheinreferenden über den Anschluss an die Russische Förderation abhalten wird. Heute berichtete das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass die Pläne in Donezk dafür bereits weit fortgeschritten seien. Es sei aber noch unklar, ob schon eine Entscheidung diesbezüglich in Moskau gefallen sei.

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Wie die Besatzer die Bevölkerung darauf einstimmen, auch dafür gibt es reichlich Beispiele: die Ausgabe russischer Pässe, Zahlungen nur in Rubel etwa. Das US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) hat nun weitere Details genannt. So habe der stellvertretende Leiter der Besatzungsverwaltung von Cherson, Kirill Stremousov erklärt, Unternehmen in dem Oblast „seien bestrebt“, Geschäfte nur in Rubel  abzuwickeln.

Der ukrainische Militärgeheimdienst GUR berichte demnach zudem davon, dass Druck auf Krankenpfleger ausgeübt werde, für die Besatzungsbehörden zu arbeiten und ihr Gehalt ebenfalls in Rubel zu erhalten. In Luhansk, so das ISW weiter, berichtet Gouverneur Serhij Haidai davon, dass die Besatzer unter vertriebenen Zivilisten für ein Referendum werben und versprechen, „all ihre Probleme zu lösen“.

Der britische „Guardian“ wiederum hat mit Menschen in Cherson per Telefon gesprochen, wie sie die Lage einschätzen. Demnach erzählten sie von einer nervösen, unberechenbaren Atmosphäre in der Stadt – und wenig Begeisterung für ein mögliches Referendum. So zitiert die Zeitung einen ehemaligen IT-Mitarbeiter, der sagt, vor dem Krieg sei ein Referendum in Cherson nie Thema gewesen – und nun werde es „ein Referendum mit vorgehaltener Waffe sein“. Den ganzen Bericht dazu lesen Sie hier.

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Den ukrainischen Streitkräften könnte es gelungen sein, das Hauptquartier der russischen Söldnergruppe Wagner im Westen der Region Luhansk zu zerstören. Das berichtet das „Institute for the Study of War“ unter Berufung auf russische und ukrainische Quellen.  Mehr dazu in unserem Newsblog.
  • Russland will nach eigenen Angaben alles dafür tun, dass Inspekteure der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA das Gelände des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja inspizieren können. Das sagt die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa.
  • Russlands Militär hat von Angriffen der eigenen Truppen im Osten und Süden der Ukraine berichtet. Im Charkiwer Gebiet seien in den vergangenen 24 Stunden mehr als 100 „ausländische Söldner“ getötet und mehr als 50 verletzt worden,sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.
  • Die US-Basketballspielerin Brittney Griner hat Berufung gegen ihre Verurteilung zu neun Jahren Haft in Russland wegen Drogenschmuggels eingelegt. Das sagte ihre Anwältin Maria Blagowolina der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. 
  • Nach mehrfachem Beschuss des AKW Saporischschja schlagen die russischen Besatzer eine Feuerpause in dem umkämpften Gebiet vor. „Die Führung der Vereinten Nationen und der Chefdiplomat der EU sollten nicht über Entmilitarisierung sprechen, sondern über die Einführung einer Feuerpause“, sagte Wladimir Rogow, ein Vertreter der russischen Besatzungsbehörden, der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.
  • Der ukrainische Kampfpilot Anton Lystopad ist tot, berichtet „The Kyiv Independent“ unter Berufung auf dessen ehemalige Ausbildungsstätte, das Physikalisch-technische Lyzeum in Iwano-Frankiwsk.Erst vor wenigen Tagen hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Piloten mit dem Tapferkeitsorden des dritten Grades geehrt. 

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