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Ein ukrainischer Soldat kurz nach der Rückeroberung von Cherson-Stadt

© Twitter

Ukraine-Offensive Tag 261 : Kiews strategische Glanzleistung in Cherson

Ukrainer erobern die Stadt Cherson unzerstört zurück, Russland vollständig aus der Region abgezogen, Biden erwartet kein schnelles Ende des Krieges. Der Überblick am Abend.

Laut dem russischen Verteidigungsministerium haben alle russischen Truppen das Westufer des Djnepr in Cherson geräumt. Noch in der Nacht sollen zahlreiche Soldaten mit Motorbooten über den Fluss geflohen sein. Videos zeigen, wie Schlangen von russischen Soldaten über eine Pontonbrücke die Stadt Cherson in Richtung des Ostufers verlassen. Auf einer Karte, die das russische Verteidigungsministerium am Freitag veröffentlichte ist Cherson westlich des Ufers weiß, also ukrainisch, gefärbt.

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Wie viel Gerät Russland zurücklassen musste, wie viele Soldaten beim Rückzug gefallen sind, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen. In den vergangenen Stunden hatten Kiews Truppen die fliehenden Soldaten teilweise unter massives Feuer genommen. Eine weitere offene Frage: Was passiert mit dem großen Staudamm nahe Nowa Kachowka, den die russischen Truppen angeblich vermint haben? Im Fall einer Sprengung droht wohl eine großflächige Überflutung flußabwärts. 

Sicher ist jetzt schon und für diese Leistung gebührt den ukrainischen Strategen höchster Respekt: Sie haben die Stadt Cherson ohne größere Zerstörungen, ohne größere Opfer unter Zivilisten zurückerobert. Viele Beobachter hatten mit langwierigen, verlustreichen Straßenkämpfen gerechnet. Immer wieder wurde Mariupol als warnendes Beispiel angeführt.

Kiew hat bei seiner Cherson-Offensive Geduld, strategische Umsicht und psychologisches Geschick bewiesen. Die angewandte Strategie wird sich in anderen Landesteilen in den nächsten Monaten kaum wiederholen lassen; zu unterschiedlich ist die Geographie, zu unterschiedlich sind auch militärischen Gegebenheiten. Es wäre aber überraschend, wenn die Ukrainer nicht auch darauf eine Antwort finden.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Auch nach dem angekündigten Abzug russischer Truppen aus dem südukrainischen Cherson sieht der Kreml kaum Chancen auf Friedensverhandlungen mit Kiew. Russland schließe Verhandlungen mit der Ukraine zwar nicht aus, sehe aber keine Bereitschaft Kiews für Gespräche, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. „Kiew will keine Gespräche, also geht die militärische Spezialoperation weiter“, sagte Peskow. Mehr im Liveblog.
  • Die russische Söldnertruppe Wagner will zur Verteidigung Russlands im Grenzgebiet zur Ukraine Milizionäre ausbilden und Befestigungsanlagen errichten. Wagner wolle den Menschen in den Grenzregionen Belgorod und Kursk dabei helfen, „eine Ausbildung zu erhalten, Anlagen zu bauen und Milizen zu organisieren“, erklärte der Gründer der Gruppe, Jewgeni Prigoschin.
  • Die russischen Angriffe auf ukrainische Infrastruktur werden weiter abnehmen, erwartet der Sprecher des ukrainischen Luftwaffenkommandos, Juri Ignat. Stattdessen werde Russland versuchen, einen großen Vorrat von Hochpräzisionswaffen, die für solche Angriffe benötigt werden, aufzubauen.
  • Russland und die Ukraine haben in dem seit über acht Monaten dauernden russischen Angriffskrieg erneut Gefangene ausgetauscht. „Es ist gelungen, 45 Kämpfer der Streitkräfte zu befreien“, teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, am Freitag im Nachrichtendienst Telegram mit. Es handele sich dabei um Soldaten und Feldwebel.
  • Eine Woche vor Ablauf des Abkommens zum Export von ukrainischem Getreide haben in Genf Gespräche zwischen den Vereinten Nationen und Russland zur Fortsetzung der Initiative begonnen. Eine UN-Sprecherin bezeichnete die Gespräche als „informell“. Unklar war, ob und wann die Vereinten Nationen über das Ergebnis der Beratungen informieren werden. 
  • In die festgefahrenen Gespräche zwischen Russland und den USA über eine atomare Abrüstung kommt offenbar Bewegung. Beide Seiten würden sich bald in Kairo treffen, um den Atomwaffenkontrollvertrag New Start zu besprechen, zitiert die Nachrichtenagentur Ria den stellvertretenden russischen Außenminister Sergej Rjabkow. Angepeilt werde Ende November oder Anfang Dezember. 
  • Die deutschen Exporte nach Russland sind wegen der Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs massiv eingebrochen. Sie lagen im September bei 1,1 Milliarden Euro und damit 52,9 Prozent unter dem Niveau vor einem Jahr, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Die Importe aus Russland sanken wertmäßig um 37,4 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro. Dieser Rückgang wäre ohne die gestiegenen Preise – vor allem im Energiebereich – noch deutlicher ausgefallen. 
  • Bei einem russischen Angriff auf ein Wohnhaus in der südukrainischen Stadt Mykolajiw sind ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht zu Freitag mindestens fünf Menschen getötet worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte den Angriff eine „zynische Antwort auf unsere Erfolge an der Front“.
  • Mehr als acht Monate nach Beginn des Ukraine-Kriegs sieht der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, nur wenige Fortschritte bei der Modernisierung der Bundeswehr. „Momentan ist die materielle Einsatzbereitschaft des Heeres nicht größer als am 24. Februar“, sagte Mais der „Süddeutschen Zeitung“.
  • Die USA liefern der Ukraine im Zuge neuer Militärhilfen im Umfang von 400 Millionen Dollar erstmals das mobile Luftabwehrsystem Avenger. Das US-Verteidigungsministerium kündigte am Donnerstag die Lieferung von vier Avenger-Systemen und dazugehörigen Raketen vom Typ Stinger an.
  • „Der Winter wird jede Aktivität auf dem Schlachtfeld für alle Beteiligten verlangsamen“, sagt der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist für alle Seiten von Vorteil. Man wird sich ausruhen können.“ Sein Land werde gestärkt aus dieser Pause hervorgehen angesichts von Tausenden von Soldaten, die gegenwärtig in Großbritannien ausgebildet werden.
  • US-Präsident Joe Biden zeigt sich wenig optimistisch in Bezug auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine. Vor seiner Abreise zu einer Auslandsreise gab sich Biden vor Reportern im Weißen Haus eher pessimistisch, als er zu den Aussichten auf eine baldige Beilegung des Konfliktes gefragt wurde: „Ich glaube nicht, dass der Konflikt gelöst werden kann, solange Putin nicht aus der Ukraine verschwindet.“

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