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Starke Symbolik. Ministerpräsident Markus Söder mit Kruzifix.

© Peter Kneffel/dpa

Behördentor als Himmelspforte: Söders Kreuz-Erlass als populistische Dichtkunst

In Behörden des Freistaats muss zentral ein Kruzifix hängen. Klagen gegen den Erlass sind vorerst gescheitert. Die Begründung des Gerichts ist dreist.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Markus Thomas Theodor Söder hat es mit seiner Gabe, dominant im Gespräch zu bleiben, zwar knapp nicht ins Kanzleramt geschafft, dafür beschäftigt er neben den Medien intensiv die Gerichte.

Grund ist der „Söder-Erlass“ des bayerischen Ministerpräsidenten von 1918, pardon, von 2018, der bestimmt, dass Dienstgebäude im Freistaat als „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns“ gut sichtbar ein Kreuz im Eingangsbereich anzubringen haben. So steht es seitdem in der Allgemeinen Geschäftsordnung für Behörden (AGO).

Wohlmeinende und Mitgläubige mögen denken, dass damit jedes Behördentor zu einer Art Himmelspforte wird. Viele andere erkennen darin eher dreisten Populismus, der sich antiislamischen Ressentiments ebenso andient wie Sehnsüchten nach religiöser und kultureller Homogenität, die in Diversity-Deutschland unter Druck geraten sind.

Selbstverständlich geht es um Religion, sagt das Gericht - und widerspricht dem Ministerpräsidenten

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat Klagen gegen Söders AGO-Erlass abgewiesen. Doch die jetzt dazu veröffentlichten Urteilsgründe sind bemerkenswert (Az.: 5 B 22.674). Sie stellen die Dreistheit bloß, mit der sich Söder die Rechtfertigung für seinen Kreuz-Erlass zusammengedichtet hat.

Selbstverständlich sei das Kreuz kein Ausdruck landestypischer Prägungen, wie Söder behauptet – sonst hätte man Brezenreliefs oder Lederhosen aufhängen können –, sondern Ausdruck einer Glaubensüberzeugung.

Die Anordnung münde daher, so das Gericht, in einer „sachlich nicht begründeten Bevorzugung des christlichen Symbols.“ Im Ergebnis fallen die Klagen dennoch durch. In Grundrechte der Kläger, namentlich in die Religionsfreiheit (Artikel vier Grundgesetz) und den Gleichheitssatz aus Artikel drei, werde mit der Aktion nicht eingegriffen. Das Kreuz an der Wand sei, so das Gericht, „ein im wesentlichen passives Symbol ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung“, und der Eingang sei ein „Durchgangsbereich“, den Bürgerinnen und Bürger nur „flüchtig“ passierten.

Die politische Dreistheit Markus Söders wird damit von einer juristischen abgelöst, denn: Ein behördlicher Eingangsbereich hat neben seiner Durchgangsfunktion noch eine andere, sehr wesentliche Aufgabe, die gerade Richter aus ihren Gebäuden kennen. Er repräsentiert das Innere. Hier wird das Klima geschaffen, dass Besucher in die Flure begleitet.

Den Eindruck vom „gut sichtbar“ angebrachten Kreuz nehmen sie überall hin mit. Was beantragt und beschieden wird, geschieht unter diesem Zeichen. Nichts daran ist „flüchtig“. Schon gar nicht flüchtig sind 2000 Jahre christliche Geschichte, in denen weite Teile der globalen Bevölkerung das Kreuz anders wahrgenommen haben als „ein im wesentlichen passives Symbol ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung“.

So fügt sich das Söder-Urteil zum Söder-Erlass. Es ist erst einfach logisch und wird dann doppelt dreist. Es ist kaum zu glauben, es ist Söders Welt.

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