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US-Demokraten: Mehrheit ist für Obama keine Sicherheit

Die US-Demokraten haben zum ersten Mal seit 1978 wieder 60 der 100 Sitze im Senat – Barack Obama kann sich aber nicht auf sie verlassen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Es ist ein historischer Moment für Amerikas Demokraten. Zum ersten Mal seit 1978 kontrollieren sie wieder 60 der 100 Sitze im Senat – eine gleichermaßen symbolisch wie machtpolitisch wichtige Mehrheit in der zweiten Kongresskammer. Dort ist jeder Staat, unabhängig von der Größe, mit zwei Senatoren vertreten. Mit 60 Stimmen kann man den sogenannten „Filibuster“ – die Blockade des Senats durch endloses Reden – beenden, den Schluss der Debatte und die Abstimmung über ein Sachthema erzwingen.

Den 60. Senatssitz gewannen die Demokraten durch ein abschließendes Urteil des Verfassungsgerichts von Minnesota vom Dienstag, dass ihr Kandidat Al Franken die Wahl zum Senator von Minnesota am 4. November 2008 gewonnen habe. Acht Monate hatte sich der juristische Streit gegen Amtsinhaber Norm Coleman hingezogen. Er führte zu mehreren Nachzählungen, insbesondere der Briefwahlstimmen unter dem Aspekt, welche als gültig und welche als ungültig zu bewerten sind, und verschlang viele Millionen Dollar Anwaltskosten auf beiden Seiten. Der anfängliche hauchdünne Vorsprung des 59-jährigen Republikaners Coleman, 206 von mehr als drei Millionen Stimmen, verwandelte sich dabei allmählich in eine Führung des 58-jährigen Demokraten und Ex-Kabarettisten Al Franken mit 312 Stimmen.

Coleman verzichtete darauf, Bundesgerichte anzurufen, wie es manche Parteifreunde gefordert hatten. Die Stimmung in Minnesota drohte sich zunehmend gegen ihn zu wenden, weil der Eindruck entstand, das Rennen sei entschieden und es schade dem Staat, wenn sich die Vertretung seiner Interessen im Senat weiter verzögere. Gouverneur Tim Pawlenty, ebenfalls ein Republikaner, unterzeichnete die Entsendung Frankens als Senator Minnesotas noch am Dienstagabend.

Theoretisch hat Präsident Barack Obama eine bequeme demokratische Mehrheit im Kongress, wenn die Parlamentarier kommenden Montag aus der einwöchigen Sitzungspause rund um den Nationalfeiertag am 4. Juli zurückkehren: im Abgeordnetenhaus 255 Demokraten gegenüber 178 Republikanern, dazu im Senat die blockadesicheren 60 Mandate. In der Praxis kann er aus mehreren Gründen auf keinen sicheren Rückhalt bauen.

Erstens wird in den USA keine Fraktionsdisziplin geübt, wie man das in Deutschland aus dem Bundestag kennt. Die Abhängigkeit amerikanischer Volksvertreter von Parteien ist viel geringer, weil sie weder von den Parteien aufgestellt werden noch ihren Einzug ins Parlament über eine Parteiliste absichern können. Wer nicht mit der Mehrheit im Wahlbezirk gewählt ist, kommt nicht in den Kongress. Unter den Demokraten in Abgeordnetenhaus und Senat ist eine größere Gruppe Konservativer. Sie stammen aus Bundesstaaten, die im politischen Spektrum der USA rechts von der Mitte stehen. Mit Blick auf ihre Wähler begleiten sie manche Vorhaben Obamas mit Skepsis, zum Beispiel die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung oder ein Klimaschutzgesetz samt US-Beteiligung am internationalen Emissionshandel oder auch die Schließung Guantanamos, sofern das zu einer Verlegung Terrorverdächtiger in die USA führt.

Zweitens sind selten alle 60 demokratischen Senatoren anwesend, zum Teil aus gesundheitlichen Gründen. Ted Kennedy leidet an Gehirntumor. Auch Robert Byrd, Senator aus West Virginia und mit 91 Jahren der Senior im Kongress, hat den Großteil der bisherigen Abstimmungen 2009 verpasst.

Drittens gehören nicht einmal alle 60 Senatoren, die jetzt als Demokraten gezählt werden, der Partei an. Joe Lieberman aus Connecticut ist offiziell parteilos. Er war lange Demokrat. 2006 unterstützte die regionale Parteibasis einen anderen Kandidaten, den Irakkriegsgegner Ned Lamont; Lieberman trat als Unabhängiger an und gewann die Senatswahl. In der Präsidentschaftswahl 2008 unterstützte er den Republikaner John McCain. Durch Vermittlung Barack Obamas kam es im Winter zu einer Vereinbarung über Liebermans Kooperation mit den Demokraten. Auch Vermonts Senator Bernie Sanders, nach eigener Beschreibung ein „Sozialist“, ist offiziell parteilos, stimmt aber in der Regel mit den Demokraten. Zu den 60 Stimmen im Senat wird auch Arlen Specter aus Pennsylvania gerechnet. Bis zum Februar 2009 war er Republikaner, wechselte dann aber aus Protest gegen deren Wirtschaftspolitik zu den Demokraten.

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