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Migranten an der Grenze zu Mexiko.

© AFP / Spencer Platt

US-Flüchtlingspolitik: Ex-Botschafter Murphy: „Für die Kinder gibt es keinen Plan“

Der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Philip Murphy, über die Politik von US-Präsident Donald Trump und die Chancen der Demokraten bei den Wahlen. Ein Interview.

Philip Dunton Murphy war bis 2013 US-Botschafter in Berlin. Seit dem 16. Januar 2018 ist er Gouverneur des US-Bundesstaats New Jersey. Der 60-jährige ehemalige Investmentbanker bei Goldman Sachs war von 2006 bis 2009 Finanzvorstand des Democratic National Committees, der Bundesorganisation der Demokraten. Im Präsidentschaftswahlkampf 2008 war er Barack Obamas oberster Spendensammler.

Herr Murphy, nach einem weltweiten Aufschrei hat US-Präsident Donald Trump entschieden, die Trennung von Flüchtlingsfamilien an der Grenze zu Mexiko zu beenden. Was glauben Sie: Warum hat er seine Meinung geändert?

Ob er wirklich seine Meinung geändert hat und warum, kann ich nicht sagen. Was ich sagen kann, ist, dass das eine inhumane, zutiefst unamerikanische und katastrophal falsche Politik war, das Schlimmste, was wir von Donald Trump bisher gesehen haben. Denn er selbst ist dafür verantwortlich, auch wenn er die Schuld auf andere schieben wollte. Es ist gut, dass diese Politik nun gestoppt wurde – aber Trump gebührt dafür kein Lob. Und ein großes Problem ist, dass es offenbar keinen Plan gibt, wie es mit den mehr als 2000 Kindern weitergeht, die bereits von ihren Eltern getrennt wurden. Es gibt darüber kaum Informationen. Das beunruhigt mich sehr.

Als Gouverneur von New Jersey haben Sie nur wenige Stunden zuvor verkündet, Trumps „grausame Politik“ nicht zu unterstützen. Welche Auswirkungen hatte diese Entscheidung?

Wir haben gesagt, dass unsere Nationalgarde sich nicht an diesem Vorgehen beteiligen wird, dass wir sie nicht weiter an die Grenze entsenden. Das war unsere stärkste Waffe.

Sie waren nicht der einzige Gouverneur, der sich so verhalten hat. Gab es da eine Absprache, haben Sie sich mit anderen koordiniert?

Wir Gouverneure haben uns nicht abgesprochen, aber ich war froh zu sehen, dass sich andere genauso verhalten haben. Und die Generalstaatsanwälte haben es getan: Rund 20 von ihnen aus verschiedenen Staaten haben einen Protestbrief geschrieben. Das war wichtig.

Wie geschlossen ist die Demokratische Partei?

Wir sind sehr geschlossen. Aber der Widerstand war in weiten Teilen überparteilich: Auch viele Republikaner, selbst ehemalige First Ladies und Gouverneure, haben sich gegen die Familientrennung ausgesprochen. Denn sie ist unmenschlich und unamerikanisch.

Ist Trump hier zu weit gegangen?

Ehrlich gesagt: Das habe ich schon so oft gedacht. Aber es gibt auch einen harten Kern von Trump-Unterstützern, die sich offenbar von nichts beirren lassen.

Bei den wichtigen Midterm-Wahlen im November haben die Demokraten die Chance, die Mehrheiten im Kongress zu verändern. Was wäre dafür notwendig?

Die Hoffnung ist sehr groß, dass uns das gelingen kann. Gerade gab es eine Umfrage, in der wir acht Prozent vor den Republikanern liegen. Aber: Es ist Mitte Juni! Bis November ist es noch lange hin. Wir brauchen einen Schlachtplan. Wir sind sehr geschlossen in unserer Ablehnung von Donald Trump und seiner Politik. Aber es reicht nicht, gegen etwas zu sein. Man muss auch für etwas sein. Wir haben die richtige Politik, stehen für Werte, für das Wohlergehen der Mittelklasse, für eine gute Gesundheitsversorgung. Und für Anstand. Das müssen wir laut und deutlich sagen, immer wieder.

Der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Philip Murphy.
Der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Philip Murphy.

© Eduardo Munoz Alvarez/Getty Images/AFP

Frank-Walter Steinmeier hat auf seiner ersten USA-Reise als Bundespräsident in dieser Woche die Westküste, genauer gesagt Kalifornien besucht und die amerikanische Hauptstadt gemieden. Seine Botschaft: Amerika ist nicht nur Trump und größer als Washington. Fokussieren wir uns zu sehr auf den Präsidenten?

Man kann den Präsidenten und seine Politik nicht ignorieren. Aber Steinmeier hat recht: Amerika ist größer als Trump. Wir haben abseits von Washington gute, vertrauenswürdige Leute, vor allem auch viele gute Gouverneure.

In Europa ist die Sorge groß, dass sich die USA aus immer mehr internationalen Verträgen und Institutionen zurückzieht. Ist diese Besorgnis gerechtfertigt?

Teils teils. Gerade in der Außenpolitik hat Trump bereits viele richtig schlechte Entscheidungen getroffen. Ich vertraue aber darauf, dass unsere internationalen Institutionen wie zum Beispiel das westliche Verteidigungsbündnis Nato das überleben werden. Was mich allerdings besorgt und was ich verurteile, ist seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten, wie es gerade bei Deutschland geschehen ist.

Donald Trump hat die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel attackiert, behauptet, dass die Kriminalität dadurch stark angestiegen ist und die Regierung daran zerbrechen könnte.

Abgesehen davon, dass das unwahr ist: Das geht ihn nichts an! Er kann sich nicht in die deutsche Innenpolitik einmischen. Deutschland ist während Angela Merkels 13-jähriger Amtszeit immer unser engster Verbündeter gewesen. Ich bin schockiert, dass er so vorgeht.

Auch vom neuen US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hörte man bereits für einen Diplomaten sehr ungewöhnliche Aussagen, die in Deutschland kritisiert wurden. Was halten Sie von Ihrem Nachfolger?

Ich kenne ihn nicht. Bevor er nach Deutschland geflogen ist, habe ich ihm eine Nachricht hinterlassen. Er hat sich aber nie zurückmeldet. Das ist ok. Was nicht in Ordnung ist, ist, dass er gleich zu Beginn gesagt hat, dass er rechte Parteien in Europa ermutigen möchte. Das ist nicht seine Aufgabe, das kann er nicht machen. Ich hoffe aber, dass er die Kritik gehört und daraus gelernt hat.

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