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Das polnische Holocaust-Gesetz soll historisch falsche Verwendungen wie „Auschwitz als polnisches Lager“ verhindern und bestrafen.

© Jan Woitas, dpa

Holocaust-Gedenken: USA kritisieren polnisches Gesetz zu NS-Todeslagern

Das Gesetz soll die falsche Bezeichnung "polnische Todeslager" unter Strafe stellen. Doch seine Formulierung stößt international auf scharfe Kritik.

Nach Israel hat nun auch Washington gegenüber Polen im Streit um das umstrittene neue Holocaust-Gesetz diplomatisch verhüllt harte Worte gewählt. Die US-Regierung sei „besorgt“ über die Gesetzesnovelle, erklärte Sprecherin Heather Nauert, da sie nicht nur Forschungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, sondern auch die bilateralen Beziehungen gefährden könne. Nauert erklärte, die US-Regierung befürchte, dass das Gesetz der historischen Debatte schaden könne. Zugleich warnte sie Warschau vor möglichen Auswirkungen auf die „strategischen Interessen und Beziehungen Polens, auch was die USA und Israel angeht“.

Damit wird klar, dass sich die völlig auf die Innenpolitik fixierte Kaczynski-Regierung in Warschau wieder einmal einen diplomatischen Lapsus geleistet hat, der bei allem Goodwill unter Nato-Bündnispartnern so schnell nicht vergessen werden wird. Zumal die US-Regierungssprecherin betont hatte, dass die USA sehr wohl verstünden, dass Begriffe wie „polnische Todeslager“ unzutreffend, irreführend und verletzend seien. Das Gesetz sollte die historisch falsche Verwendung solcher Begriffe in Polen ein für alle Mal verhindern. Doch es ist zu ungenau formuliert. Das Pochen polnischer Patrioten rund um Parteichef Jaroslaw Kaczynski auf den Opferstatus im Zweiten Weltkrieg bei gleichzeitiger Ablehnung möglicher dunkler Seiten hat sich zu einem gefährlichen diplomatischen Skandal aufgeschaukelt. Trotz der internationalen Kritik verabschiedete in der Nacht zum Donnerstag auch der Senat das umstrittene Holocaust-Gesetz ohne Nachbesserungen mit 57 zu 23 Stimmen. Zum Inkrafttreten muss die Vorschrift noch von Präsident Andrzej Duda unterschrieben werden.

Gefängnis bis zu drei Jahren

Ursache für den Streit ist eine im Sejm Ende letzter Woche verabschiedete Gesetzesnovelle über das „Institut für das Nationale Gedenken“ (IPN), einer Art Gauck-Behörde, die in Polen kommunistische und Nazi-Verbrechen aufarbeitet. Nach dem neuen Gesetz soll die historisch falsche Bezeichnung „polnische Todeslager“ für deutsche Vernichtungslager im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs künftig mit hohen Geldstrafen oder Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden.

Jährlich kommt es vor allem in angelsächsischen Medienberichten zu rund 300 solchen falschen Bezeichnungen, die jedoch oft geographisch gemeint sind. Der Lapsus wiederfährt auch deutschen Medien, was in Polen aus nachvollziehbaren Gründen besonders schwer wiegt. So bewarb das ZDF 2013 eine Filmreihe über KZs der Nazis mit dem Verweis auf „polnische Todeslager“. Der Sender entschuldigte sich erst nach einem Gerichtsverfahren, doch nicht nur einstige polnische Lagerinsassen reagierten empört.

Der Wunsch, derartiges per Gesetz zu verhindern, ist alt. Doch erst die außenpolitisch kaum interessierte rechtspopulistische PiS-Regierung hat dies nun in die Tat umgesetzt. Dabei wurde allerdings vor allem auf die eigene Befindlichkeit und zu wenig auf jene der Holocaust-Opfer geachtet. In der Gesetzesnovelle ist heißt es nämlich wörtlich: „Wer öffentlich (…) dem polnischen Volk oder Staat die Ver- oder Mitverantwortung an Naziverbrechen zuschreibt (…) oder die Verantwortung der wirklichen Täter an diesen Verbrechen vermindert, muss mit einer Geld- oder Gefängnisstrafe rechnen“.

Bedenken der Historiker

Vor einer solchen Formulierung warnte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem: „Das Gesetz kann die historische Wahrheit der Mithilfe verwischen, die Deutsche beim Holocaust von der polnischen Gesellschaft erhielten“, heißt es in einer Stellungnahme. Ähnlich hatte sich auch Regierungschef Benjamin Netanjahu geäußert. In Israel wird befürchtet, dass das Gesetz eine mögliche Mitschuld der Polen an der Ermordung von Juden durch die deutschen Besatzer negieren und dringend nötige historische Untersuchungen dazu verunmöglichen soll.

Erste historische Studien haben ergeben, dass angeblich bis zu zwei Drittel jener Juden, die es geschafft hatten, aus den Ghettos zu fliehen oder sich vor der Nazi-Zwangsumsiedlung zu verstecken, von Polen freiwillig den Deutschen übergeben worden sind. Dabei muss betont werden, dass im größeren Teil des Nazi-Besatzungsgebiets in Polen für das Verstecken von Juden die Todesstrafe in Sippenhaft galt. Polnische Familien, die Juden versteckten, riskierten mit der Ermordung des Helfers und seiner Familie viel mehr als zum Beispiel Helfer in den besetzen Niederlanden oder im Reichsgebiet selbst. Politiker der rechtspopulistischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) weisen auch deshalb die Kritik aus Israel und jüdischer Kreise in den USA als „anmaßend“ zurück.

Klaus Bachmann

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