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© GETTY IMAGES NORTH AMERICA

USA: Obama will kämpfen

Nach der Wahlniederlage in Massachusetts ändert der amerikanische Präsident den Ton: Die vergangenen Tage hat Obama für kämpferische und populistische Auftritte genutzt.

Acht Tage hat Barack Obama Zeit, um die Initiative zurückzugewinnen. Die Hälfte ist verstrichen. Am Dienstag hatte der Überraschungssieg der Republikaner bei der Senatsnachwahl in Massachusetts die Arithmetik der Macht grundlegend verändert. Der Präsident hat die vetosichere Mehrheit, 60 der 100 Stimmen im Senat, verloren. Blockadeversuche der Republikaner kann er nicht mehr ignorieren. Er braucht einen Minimalkonsens mit ein bis zwei Senatoren des gegnerischen Lagers, um Gesetze durch den Kongress zu bringen. Am kommenden Mittwoch hält der Präsident die „State of the Union“, die Rede zur Lage der Nation. Dann muss er erklären, wie er mit der neuen Lage umgehen will.

Die ersten vier dieser acht Tage hat Obama für kämpferische und populistische Auftritte genutzt. Seine Attacke zur Begrenzung der Bankenmacht am Donnerstag war zwar seit Wochen vorbereitet worden. Er hat auch sachliche Gründe und zieht die Lehren aus den Ursachen der Finanzkrise. Unverkennbar ist aber auch: Er will dem Populismus der Republikaner seinen eigenen Populismus entgegensetzen. Die Konservativen werfen ihm vor, er sein typischer Linker, der auf „Staatsausgaben und Steuererhöhungen“ setze. Unter seiner Regierung reiße der Staat Aufgaben an sich, die zur Entscheidungsfreiheit der Bürger oder der Privatwirtschaft gehörten. Seine Ausgabenpolitik führe zu hohen Schulden; am Ende werde er die Steuern erhöhen, um das Defizit zu bekämpfen.

Obamas Populismus setzt auf „Main Street“ gegen „Wall Street“. Sein Zorn auf die Banker ist echt. Zugleich sind sie eine nützliche Zielscheibe. Der Staat hat die Banken vor der Pleite gerettet und hält die Zinsen künstlich niedrig, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das beschert der Finanzbranche prächtige Gewinne. Doch deren Bosse schämen sich nicht, 145 Milliarden Dollar für Boni zu reservieren, während einfache Bürger ihre Jobs verlieren. Den britischen Weg, die Boni abschreckend hoch zu besteuern, möchte Obama nicht gehen. Das träfe zwar die Richtigen, würde den Republikanern aber Futter für ihren Generalvorwurf liefern, Obama sei ein Steuererhöher. Auch in seiner wöchentlichen Radioansprache am Sonnabend gab er den Anwalt des kleinen Mannes gegen mächtige Lobbyinteressen.

Am Freitag war der Präsident im Rahmen seiner Main-Street-Tour in Elyria, Ohio, aufgetreten, einem Vorort der Industriestadt Cleveland am Eriesee mit hoher Arbeitslosigkeit. Er sprach mit aggressiver Stimme, wie man ihn aus dem Wahlkampf kannte – nicht in der ruhigen, präsidialen Tonlage, die er bisher im Weißen Haus pflegte, um als überparteiliches Staatsoberhaupt wahrgenommen zu werden. 20 Mal benutzte er das Wort „kämpfen“: „Solange ich atmen kann, werde ich nicht aufhören, für euch zu kämpfen. Auch wenn ich Schläge einstecken muss, werde ich für eure Jobs kämpfen.“

Er lenkt also nicht ein und möchte den Republikanern nicht entgegenkommen? Doch wie will er dann die Gesundheitsreform durch den Kongress bringen? Der letzte Schritt im Gesetzgebungsverfahren steht noch aus. Abgeordnetenhaus und Senat haben je unterschiedliche Versionen verabschiedet. Die Kompromissfassung muss in beiden Kammern beschlossen werden. Doch im Senat fehlt ihm die erforderliche Mehrheit. Oder gibt er sich jetzt rhetorisch so kämpferisch, damit ihm die unausweichlichen Kompromisse nicht als Schwäche ausgelegt werden?

Inzwischen ist klarer, was in Massachusetts genau passiert ist. Die Republikaner haben kaum Wähler dazugewonnen. In der Präsidentschaftswahl hatte John McCain dort 1,11 Millionen Stimmen bekommen, jetzt erzielte Scott Brown 1,17 Millionen, nur 60 000 Stimmen mehr. Entscheidend war, dass die Demokraten ihre Wähler nicht mobilisieren konnten. Obama bekam 2008 1,9 Millionen Stimmen in Massachusetts, die Senatskandidatin der Demokraten, Martha Coakley, 1,06 Millionen – nur gut halb so viel.

Das deckt sich mit den nationalen Trends. Obama verliert Anhänger, vor allem unter Bürgern, die nicht Stammwähler einer Partei sind. Aber die laufen nicht massenhaft zu den Republikanern über. Die meisten Enttäuschten enthalten sich. Der Kampf geht darum, wer einen Teil dieser Unzufriedenen für sich gewinnen kann: die Republikaner mit ihrem Anti-Staats- und Anti-Steuer-Populismus oder Obama mit seiner populistischen Attacke auf die Banker.

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