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USA: Quo Vadis?

Seit den Kongresswahlen vor wenigen Tagen haben die Republikaner in den USA wieder deutlich mehr Macht. Wie wirkt sich das auf die Außenpolitik aus?

Es ist die Zeit der rauen Herbststürme, in der Natur und der Politik. Die Kongresswahl am vergangenen Dienstag hat die Mehrheitsverhältnisse im Parlament der USA durcheinandergewirbelt. Und so wollten die Gäste des Halifax Security Forum, darunter viele Minister und Abgeordnete aus Europa und Asien, am Wochenende danach erfahren, was sich ganz praktisch in der Außenpolitik der Weltmacht ändern wird, wenn nun wieder die Republikaner die Mehrheit haben. Wie weiter im Umgang mit dem Iran, in Afghanistan – und ist nun die Ratifizierung des Abrüstungsvertrags mit Russland bedroht? Halifax ist das nordamerikanische Pendant zur Münchner Sicherheitskonferenz. Im Februar dient München, im November Halifax als Debattenort. Doch zunächst verhindern schwere Winde an der Atlantikküste von Nova Scotia die Aufklärung. Der kleine Düsenjet, der die Schwergewichte der US-Außenpolitik wie Senator John McCain, den republikanischen Präsidentschaftskandidat von 2008, in Kanadas Nordosten bringen soll, muss mehrere Landeversuche abbrechen und zurück auf die US-Seite der Grenze, wo die Senatoren in einem bescheidenen Motel übernachten.

Wächst die Gefahr eines Militärschlags gegen den Iran?
Am nächsten Morgen hat die Natur sich besänftigt. Das politische Unwetter ist geblieben. Man spürt förmlich, wie die Europäer im Saal zusammenzucken, als Lindsey Graham, der republikanische Senator aus South Carolina und enge Freund McCains, auf den Iran zu sprechen kommt. Er hoffe, dass die Sanktionen Teheran dazu bringen, den Bau der Atombombe aufzugeben. Wenn aber nicht, dann werde er zu einem Militärschlag raten. Er wolle nicht, dass es soweit komme. Er sei ja selbst Offizier. „Wir können keinen neuen Krieg gebrauchen. Aber einen atomar bewaffneten Iran können wir noch viel weniger gebrauchen.“ Wenn es hart auf hart komme, sei sein Rat an Präsident Barack Obama: „Versenkt ihre Marine, zerstört ihre Luftwaffe, vernichtet die Revolutionäre Garde!“
In der Kaffeepause reagieren viele Europäer betroffen. Geht das jetzt wieder los, wie unter George W. Bush? Obama ist doch zu Verhandlungen mit dem Iran bereit. Noch gibt es Hoffnung, dass die Sanktionen greifen, nachdem auch China und Russland mittun. Graham hat zudem nicht nur von „chirurgischen Schlägen“ gegen Atomanlagen gesprochen, sondern einen umfassenden Luftkrieg gegen das gesamte iranische Militär ausgemalt. Von einem Krieg am Boden wie im Irak und Afghanistan war andererseits keine Rede.
Nachdenklich stimmt die Gäste jedoch auch Grahams andere Warnung: Die meisten der neuen republikanischen Abgeordneten, die dank der „Tea Party“-Welle gegen den „Sozialisten“ Obama in den Kongress kommen, seien „Isolationisten“ und „Protektionisten“. Sie hätten keine außenpolitische Erfahrung und kein Verständnis für den Wert langfristiger Partnerschaft. Das klingt nun gar nicht nach wiedererstarktem Selbstbewusstsein der traditionellen konservativen Außenpolitiker, die Amerikas Präsenz und Einfluss rund um die Erde stärken möchten. Der Triumph dieser Sorte von Republikanern lässt McCain und Graham nicht frohlocken; er erfüllt sie vielmehr mit Sorge. Dieser Eindruck bestätigt sich, als sich beide später im kleinen Kreis mit fünf Korrespondenten europäischer Zeitungen zusammensetzen.

Drohen Protektionismus und Isolationismus der USA?
Außenpolitische Themen haben im Wahlkampf keine Rolle gespielt, analysieren McCain und Graham. Die neuen Rechten sind wegen ihrer „simplen Formeln“ gewählt worden: Staatsausgaben kürzen, die Regierung verkleinern, amerikanische Wirtschaftsinteressen schützen. Mehrere Freihandelsabkommen stehen zur Verabschiedung an, darunter mit Südkorea und Bahrain. Aus McCains Sicht wäre es ein schwerer Schaden, wenn die neue rechte Mehrheit sie blockiert. In Afghanistan werde der Krieg nicht leichter, wenn die Finanzhilfe für Pakistan gekürzt werde. Sie wollen keinen Irankrieg, betonen beide. Aber wer den verhindern wolle, müsse die Sanktionen weiter verschärfen. „Crippling“ müssten sie sein, „lähmend“, sonst lenke Teheran nicht ein. Gerade jetzt dürfe es keinen Rückzug der USA in die Innenpolitik geben. Präsident Obama müsse also mit China über eine Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran verhandeln. Das wollen sie mit ihrer scharfen Rhetorik erreichen. Auch da sind die neuen Rechten hinderlich. Die wollen China wegen Währungsmanipulationen auf die politische Anklagebank setzen. Das macht Pekings Entgegenkommen bei Iransanktionen nicht wahrscheinlicher.

Ändert sich der Kurs in Afghanistan?
„Ein schwerer Fehler“ Obamas sei es, sich auf ein Datum festzulegen, wann der Abzug beginnt, im Juli 2011. Das zeige: „Dieser Präsident hat keine militärische Erfahrung und hört nicht auf den Rat seiner Militärs.“ McCains Stimme klingt hart und bitter, als gebe es ein tiefes Zerwürfnis zwischen den beiden. „Das ermutigt den Gegner, wenn man ihm sagt, wann wir gehen.“ Obama hätte bekräftigen müssen, „dass wir bleiben, bis wir gesiegt haben“. Im Dezember steht die nächste Lageanalyse an. „Dann hat der Präsident Gelegenheit, seinen Fehler zu korrigieren.“ Den Einwand, Obama sei den Bürgern ein Abzugsdatum schuldig gewesen, weil der Krieg unpopulär sei, lassen McCain und Graham nicht gelten. Selbst wenn die eigene Partei Obama im Stich lasse, könne er sich darauf verlassen, dass genügend Republikaner ihm Unterstützung in Afghanistan geben. Wie im Irak könne man den Aufstand besiegen und dann die Kampftruppen abziehen. 50 000 US-Soldaten bleiben, zur Stabilisierung und um weiter irakische Soldaten auszubilden. So ein Szenario kann sich McCain für Afghanistan vorstellen, für viele Jahre. „Wir haben bis heute 40 000 Mann in Korea und Zehntausende in Deutschland. Die Amerikaner haben nichts gegen Truppen im Ausland. Sie haben etwas gegen einen Kleinkrieg ohne absehbares Ende mit vielen Gefallenen.“

Was wird aus der Abrüstungspolitik?
Die Ratifizierung des Start-Abrüstungsvertrags mit Russland sei zwar nicht sicher, aber weiter möglich, sagen McCain und Graham – sofern Obama zwei Zugeständnisse mache. Die Republikaner verlangen die Bewilligung der Milliarden für die Modernisierung der verbleibenden Atomwaffen. Und die Verpflichtung, dass Verhandlungen mit Moskau über den Abbau der taktischen Atomwaffen folgen.

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