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Der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

© dpa/Michael Kappeler

Update

Verkehrsminister: Scheuer will Aussetzung der Feinstaub-Grenzwerte diskutieren

Verkehrsminister Andreas Scheuer zweifelt den gesundheitlichen Nutzen der Grenzwerte für Feinstaub an. SPD und Grüne sehen das anders.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat erneut eine "Versachlichung der Debatte" um Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide in Deutschland gefordert. "Wir brauchen eine ganzheitliche Sichtweise", sagte Scheuer am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". Die Stellungnahme einer Gruppe Ärzte vom Mittwoch zu dem Thema habe "nochmal Fakten" in die Diskussion eingebracht. Wenn mehr als hundert Wissenschaftler sich zusammenschlössen, sei das "ein Signal". "Von daher müssen wir schon mal wieder die Debatte vom Kopf auf die Füße stellen", forderte Scheuer

Am Mittwoch hatten mehr als hundert Mediziner in einer Stellungnahme erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Methodik bei der Festlegung der Grenzwerte geäußert und eine Neubewertung der Fachstudien gefordert. Damit stellten sie sich gegen die Position der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), die vor einer Gesundheitsgefährdung durch die Luftschadstoffe warnt.

Scheuer sprach von einer "ideologischen Debatte". Es müsse auf europäischer Ebene darüber diskutiert werden, die Grenzwerte auszusetzen. Der CSU-Politiker plädierte dafür, mehr über die "positive Seite von Mobilität" zu sprechen. "Wir sollen die Chancen diskutieren, Chancen von Mobilität."

Bundesumweltministerin Svenja Schulze wies die Kritik der Lungenärzten dagegen zurück. Die Grenzwerte dienten dem Schutz aller Menschen, sagte die SPD-Politikerin dem „Handelsblatt“. Die große Mehrheit der Städte schaffe es auch, die Grenzwerte einzuhalten. „Nur dort, wo besonders viel Verkehr ist, gibt es Probleme mit Stickoxiden“, sagte die Ministerin. „Wir haben also kein Grenzwertproblem, sondern ein Diesel- und Verkehrsproblem, das wir zum Beispiel mit Hardware-Nachrüstungen lösen können.“ Davon lenke die Debatte ab. Sie sei erstaunt, dass sich manche Ärzte in den Dienst eines solchen „Ablenkungsmanövers“ stellen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warnte vor einer Aussetzung der Grenzwerte. "Wir haben keine Studien, die derzeit die Gefährdung in Frage stellen würden", sagte Lauterbach zu MDR Aktuell. "Im Gegenteil - die neueren Studien zeigen, dass die Grenzwerte eher zu hoch als zu niedrig sind. Ich bitte hier gerade den Schutz von älteren Menschen und von Kindern zu beachten."

Lauterbach sagte, es sei ausgeschlossen, dass 100 deutsche Lungenärzte den europäischen Grenzwert beeinflussen könnten - "insbesondere, wenn es sich um eine Position handelt, die international von Wissenschaftlern nicht geteilt wird".

Lauterbach rief Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, sich klarer dafür einzusetzen, dass die Gesundheitsrisiken nicht unterschätzt würden. "Wir sehen immer klarer, dass Feinstaubbelastungen bei Kindern zu Entwicklungsstörungen des Gehirns führen und bei älteren Menschen zu Demenz. Um dem zu begegnen, muss mehr aufgeklärt werden, dass der Einzelne sich auch schützen kann. Und da fehlt mir bisher die Stimme des Gesundheitsministers."

Auch die EU-Umweltkommissar Karmenu Vella verteidigte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe die geltenden europäischen Grenzwerte. "Tatsache ist, dass wir leider die Auswirkungen auf die alltägliche Realität von Hunderttausenden von alten und jungen Menschen in Städten in ganz Europa sehen können, die aufgrund der schlechten Luftqualität mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben." Es sei daher "dringend notwendig, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu beschleunigen, um die Gesundheit unserer Bürger zu schützen".

Grundlage für Dieselfahrverbote

Die Grenzwerte sind Grundlage für Dieselfahrverbote. In der EU gilt für Stickstoffdioxid ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, für Feinstaub sind es Werte je nach Partikelgröße. Nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts können Kommunen, in denen die Grenzwerte überschritten werden, strecken- oder zonenbezogene Fahrverbote gegen Diesel verhängen.

Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, erklärte, in der Debatte würden seltsame Vergleiche gezogen. „Wenn es heißt, dass es zwar Tote durch Lungenkrebs gebe, jedoch nicht durch Feinstaub oder Stickoxid, dann ist das irreführend: Auch ein Raucher stirbt nicht am Rauch selbst, sondern an den Folgen, ob das Lungenkrebs oder Herzinfarkt ist.“

Während der Einzelne sich bewusst gegen das Rauchen entscheiden könne, sei er den schädlichen Stoffen an Straßen schutzlos ausgeliefert, so Hofreiter Die Politik habe die Aufgabe, Risiken zu minimieren und die Bürger vor Gefahren zu schützen. Die Gefahr treffe besonders Kinder, Schwangere und Ältere an viel befahrenen Straßen. „Wer das nicht ernstnimmt, handelt fahrlässig.“ (AFP, dpa)

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