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Joachim Gauck bei seiner Rede im Berliner Abgeordnetenhaus.

© Reuters

Gauck-Rede: Von den Schwachen mehr erwarten

Joachim Gauck hat zum 20. Jahrestag der Einheit mehr Anstrengungen zur Integration gefordert - von allen Seiten. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker fordert Solidarität zwischen Ost und West.

Von Matthias Schlegel

Der Staat muss an Hartz-IV-Empfänger und integrationsunwillige Ausländer klare Forderungen stellen. Das hat der unterlegene Bundespräsidentschaftskandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, bei einem Festakt im Abgeordnetenhaus aus Anlass der Wiedervereinigung Berlins vor 20 Jahren gefordert. Der frühere DDR-Bürgerrechtler und spätere Bundesbeauftragte für die Stasiakten schaltete sich damit in die aktuelle politische Debatte über den Umgang mit sozial Schwächeren in der Gesellschaft ein.

Der Staat dürfe sich nicht selbst zur Disposition stellen, indem er eigene Normen nicht mehr ernst nehme, sagte Gauck. Es sei ein „merkwürdiger Zustand“, dass bei der Versorgung auch diejenigen integriert sein wollten, die unsere Kultur ablehnten, bekämpften oder denunzierten. Der Staat müsse fordern, dass Kinder aus Einwandererfamilien möglichst früh Krippen und Kitas besuchten, um Deutsch zu lernen. Damit die „Abgehängten unserer Gesellschaft“ wieder Eigenverantwortung erlangten, müssten auch „in den Problemzonen der Abgehängten Forderungen“ gestellt werden. „Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten“, sagte er. Nicht nur in der Diktatur, auch in freien Gesellschaften gebe es selbstgewählte Ohnmacht.

Am Vorabend des 20. Jahrestages der deutschen Einheit mahnte er, die aus der Freiheit gewonnene Verantwortung wahrzunehmen. „Nichts macht uns so menschlich wie gelebte Verantwortung. Und nichts lässt Menschen mehr verkümmern als Verantwortungslosigkeit“, sagte Gauck. Am heutigen Sonntag wird mit zahlreichen Bürgerfesten und dem zentralen Festakt in Bremen, auf dem Bundespräsident Christian Wulff sprechen wird, das Einheitsjubiläum begangen.

Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker appellierte zum Jahrestag an die Deutschen, in gegenseitiger Solidarität nicht nachzulassen. „Sich vereinigen heißt teilen lernen, das gilt bis zum heutigen Tag“, sagte von Weizsäcker dem Tagesspiegel. Zugleich mahnte er Transparenz bei der Verwendung der Mittel an. Mittlerweile seien die Solidaritätszuschläge „Bestandteil der staatlichen Haushalte geworden. Das Empfinden, dass wir mit ihnen die Vereinigung konkret fördern, ist für uns normale Bürger und Steuerzahler zu wenig erkennbar. Was nichts daran ändert, dass es notwendig ist und bleibt, auch noch bis zum Jahr 2019.“ Das vollständige Interview mit dem Altbundespräsidenten erscheint im Wortlaut in der gedruckten Sonntagausgabe des Tagesspiegels.

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