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Weg damit. Empörte Staatsbedienstete verbrennen Steuerbescheide vor dem Finanzministerium in Athen. Sie wehren sich gegen eine Sondersteuer. Foto: Orestis Panagiotou/dpa

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Politik: Von Streik zu Streik

Gehälter werden gekürzt, Staatsdiener entlassen, Renten verkleinert – die Griechen sind verzweifelt

Den meisten Griechen ist die Troika verhasst. Schließlich sind es diese Inspekteure der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF), die den Hellenen immer neue Sparauflagen machen. Aber für Evangelos Venizelos, den griechischen Finanzminister, ist die Troika ein Segen: „Wir können von Glück sagen, dass wir unter internationale Kontrolle gestellt wurden“, sagte Venizelos am Mittwoch im griechischen Parlament. Ohne die Aufsicht der Troika, sagte Venizelos, wären die Staatsfinanzen längst vollends entgleist.

Das Volk leide zwar, das Land sei „enttäuscht und pessimistisch“, bewahre aber „Stolz und Würde“. So versucht Venizelos, die bittere Medizin zu verzuckern, die er seinen Landsleuten jetzt verabreichen muss. Das sind Gehaltskürzungen von bis zu 40 Prozent im öffentlichen Dienst, Massenentlassungen Zehntausender Staatsdiener, höhere Steuern auf Heizöl, Tabak und Spirituosen sowie eine Senkung des Grundfreibetrags der Einkommensteuer von 8000 auf 5000 Euro. Renten über 1200 Euro sollen um 20 Prozent gekappt werden. Griechen, die vor dem 55. Lebensjahr in Rente gehen, müssen mit weiteren Abschlägen rechnen. Die neu eingeführte Immobiliensteuer wird bis mindestens 2014 beibehalten.

Etwa 30 000 Beamte und andere Staatsbedienstete sollen zunächst in eine sogenannte „Arbeitsreserve“ geschickt werden. Dies bedeutet, dass sie für höchstens zwölf Monate 60 Prozent ihre Einkommens erhalten sollen. Anschließend soll eine unabhängige Behörde entscheiden, welche von ihnen endgültig entlassen werden sollen. „Das betrifft etwa drei Prozent der Staatsbediensteten“, sagte ein Regierungssprecher.

Am Dienstagabend war ein Durchbruch bei den telefonischen Verhandlungen der „Troika“ aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank mit dem griechischen Finanzminister gelungen. Die Expertengruppe der Geldgeber will nun nächste Woche zu weiteren Verhandlungen nach Athen reisen. Ein positiver Bericht der „Troika“ zur Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro aus dem alten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro. Fließen die Milliarden nicht, droht Griechenland im Oktober die Pleite.

Die Griechen haben bereits mobil gemacht gegen die nächste Runde der Sparmaßnahmen. Am Sonntag wollen die Fluglotsen mit einem 24-stündigen Streik gegen die neuen Sparpläne protestieren. Bereits von Donnerstag an werden die Athener Verkehrsbetriebe bestreikt – auf unbestimmte Zeit. Für den 5. und den 19. Oktober haben die Gewerkschaften zu Generalstreiks aufgerufen.

Vor allem im öffentlichen Dienst brodelt es. Bereits im vergangenen Jahr verloren die meisten Staatsdiener durch die Kürzung von Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld rund 20 Prozent ihrer Einkommen. Durch die neuen Einschnitte verringern sich viele Gehälter gegenüber dem Jahr 2009 auf die Hälfte. Auch die griechischen Rentner, deren Bezüge schon vor der Krise nur bei 55 Prozent des EU-Durchschnitts lagen, stehen vor neuen Kürzungen.

Finanzminister Venizelos hält die neuen Sparmaßnahmen dennoch für unumgänglich: „Wir müssen uns diese Opfer zumuten – das ist das Drama unseres Landes“, sagte Venizelos. Unterdessen bereitet sich Premier Giorgos Papandreou auf eine Reise nach Berlin vor. Am kommenden Dienstag will er dort vor deutschen Industriellen und bei einem Abendessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel um Vertrauen für sein angeschlagenes Land werben.

Aber wird er das verschärfte Sparprogramm überhaupt durchsetzen können? Viele Beobachter zweifeln daran. Denn nicht nur die reformunwilligen Gewerkschaften meutern. Auch in der sozialistischen Regierungspartei regt sich Widerstand. Mehrere Abweichler hat Papandreou bereits aus der Fraktion ausgeschlossen. Doch das hat seine Grenzen. Die Mehrheit der Regierungspartei ist bereits von 160 auf 154 Parlamentsmandate zusammengeschmolzen.

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