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Vor Luftangriffen: Türken arbeiteten an Friedensplan für Libyen

Die Türkei steht seit Wochen enger mit beiden Seiten in Libyen in Kontakt als jedes andere Nato-Land. Es soll erste Erfolge auf dem Weg zur friedlichen Einigung gegeben haben - dann kamen die Luftangriffe der Alliierten.

Dem Machthaber Muammar al Gaddafi einen gesichtswahrenden Ausweg bieten, einen festen Zeitplan für den Übergang zur Demokratie festzurren – das waren die Hauptziele eines türkischen Friedensplans für Libyen, dessen Umrisse jetzt an die Öffentlichkeit gelangt sind. In Ankara wurden Presseberichte über den Plan zum Teil bestätigt. Die mit den USA abgesprochene Initiative scheiterte demnach am Beginn der von Frankreich angeführten Luftangriffe. Bei allem Ärger über Nicolas Sarkozy fühlen sich die Türken inzwischen in ihrer Haltung bestätigt: Schließlich sei ein politischer Ausweg langfristig wichtiger und konstruktiver als Bomben. Nun wurden die Türken zur Londoner Libyen-Konferenz nächste Woche eingeladen – bei der Pariser Konferenz vergangene Woche waren sie noch ignoriert worden.

Die Türkei steht seit Wochen wesentlich enger mit beiden Seiten in Libyen in Kontakt als jedes andere Nato-Land. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte nach eigenen Angaben mehrmals mit Gaddafi selbst, dessen Söhnen und mit Spitzenpolitikern der Gaddafi-Regierung. Außenminister Ahmet Davutoglu kümmerte sich um Gespräche mit der libyschen Opposition.

Kern der türkischen Friedensplans war der Zeitung „Hürriyet“ zufolge ein fester Fahrplan für den Übergang zur Demokratie. Freie Wahlen und eine neue Verfassung sollten angepeilt, ein transparenter und verbindlicher Zeitplan für den Machttransfer sollte vereinbart werden. Gaddafi sollte demnach die Macht zunächst befristet an einen seiner Söhne übergeben; vor den geplanten Wahlen sollte der Gaddafi-Clan die Möglichkeit erhalten, eine eigene Partei zu gründen. Eine international Überwachung der Übergangsphase sollte Missbräuche verhindern.

Ankara habe ein Paket geschnürt und diskret Beratungen mit Regierung und Opposition über dieses Maßnahmenbündel aufgenommen, berichtete „Hürriyet“. Erste Signale aus Libyen seien positiv gewesen. Dann begannen am 19. März die Luftangriffe auf Gaddafis Truppen. „Frankreich bombardierte eine Lösung“, lautete die Überschrift von „Hürriyet“.

In Ankara hieß es, der Bericht sei „teilweise“ korrekt. Die Türkei habe sich bemüht, in Libyen „eine gemeinsame Basis“ von Regierung und Opposition zu finden, bestätigte ein türkischer Spitzendiplomat. Diese Versuche seien aber nicht sehr weit gediehen. „Und mit dem Bombardement ist es schwierig, überhaupt noch voranzukommen.“

Parallel zu ihrer Friedensinitiative für Libyen versucht die Türkei, Stoßrichtung, Dauer und Umfang des internationalen Militäreinsatzes gegen Gaddafi zu beeinflussen. Nach wie vor verhandelt die Nato über eine Übernahme des Kommandos über den Einsatz; eine Einigung scheiterte bisher unter anderem den türkischen Vorbehalten. Ankara will die Einsatzpläne auf den Prüfstand stellen und das Einsatzgebiet westlicher Kampfflugzeuge eingrenzen.

Lange vor Beginn der Angriffe „hätte man in der Nato über alles reden müssen“, rügte Staatspräsident Abdullah Gül. „Gaddafi muss gehen“, stellte er fest: Aber die Allianz hätte den Weg zu diesem Ziel sehr viel besser vorbereiten müssen. Statt dessen habe der Westen ohne politische Flankierung aufs Militär gesetzt. „Einige sind vorgeprescht und haben es vorgezogen, Libyen in Brand zu setzen“, sagte Gül in Anspielung auf Sarkozy.

Um zu zeigen, dass Ankara die Nato-Verbündeten trotz alledem nicht alleine lässt, schickten die Türken einen Flottenverband vor die libysche Küste, wo er bei der Durchsetzung des Waffenembargos helfen soll. Laut Pressemeldungen sollen auch türkische Kampfflugzeuge entsendet werden, die an der Überwachung des Flugverbots über Libyen teilnehmen sollen – aber nicht an den Luftangriffen.

Am Donnerstag beriet das türkische Parlament in nicht-öffentlicher Sitzung über den Militäreinsatz. Um sich eine möglichst breite Mehrheit für die Entsendung zu sichern, versprach die Regierung nach Oppositionsangaben, bei einer Einigung innerhalb der Nato werde die Allianz ihre Operationen von einem Stützpunkt im westtürkischen Izmir aus steuern.

Bei der Libyen-Konferenz in London dürften die Türken kommende Woche das Ziel verfolgen, die französische Führungsrolle beim Libyen-Einsatz durch eine breitere Grundlage zu ersetzen. Alles müsse unter dem Dach der UNO laufen, forderte Außenminister Ahmet Davutoglu. Er riet dem Westen auch, bei der Aktion in dem muslimischen Land in Nordafrika auf seine Rhetorik zu achten. Wenn von einem „Kreuzzug“ gesprochen werde, dann werde die Türkei bestimmt nicht mit von der Partie sein: Im ganzen Nahen Osten steht der Begriff des „Kreuzzuges“ nicht für Befreiung, sondern für westliche Aggression.

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