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In der Vorhand: Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin.

© Rahmat Gul/AP/dpa

Vorteil für Kramp-Karrenbauer: Die Krise der SPD wird zur Chance für die CDU-Chefin

Die CDU-Chefin kann sich nun mit gradlinigem Kurs als Führungsfigur profilieren. Und sie könnte den Sozialdemokraten den Schwarzen Peter zuschieben.

Von Robert Birnbaum

Thomas Strobl brach aus der abgesprochenen Linie aus. Eine Minderheitsregierung könnte eine „Option“ sein, wenn die SPD die Koalition verlassen würde, spekulierte der Baden-Württemberger vor drei Tagen. Annegret Kramp-Karrenbauer, unterwegs im fernen Afghanistan, war die Stellungnahme ihres Vizes gar nicht recht.

Für die CDU-Chefin ist die Krise der SPD eine Chance, sich mit klaren Ansagen und gradlinigem Kurs als Führungsfigur zu profilieren. Wenn die eigenen Leute durcheinander reden und widersprüchliche Signale verbreiten, stört das.

Die Niederlage von Olaf Scholz und seiner Partnerin Klara Geywitz war für die Union keine schöne Überraschung. Auf ein Scheitern der Koalition und rasche Neuwahlen ist bei CDU und CSU kaum jemand scharf. CSU-Chef Markus Söder hat die Kommunalwahl im März fest im Blick. Ein hitziger Bundestagswahlkampf zur gleichen Zeit würde Söders landesväterliche Umarmungsstrategie gefährden.

Kramp-Karrenbauer könnte theoretisch einen Koalitionsbruch ausnutzen, um blitzschnell die Kanzlerkandidatur an sich zu ziehen. Als Risikospielerin von Natur aus und als Vorsitzende von Amts wegen wäre sie gegenüber anderen leicht im Vorteil. Aber die Saarländerin weiß auch, dass sie sich erst langsam aus dem Umfragekeller herausarbeiten muss, um in eine Wahlschlacht zu ziehen, die ohne Angela Merkel an der Spitze doppelt schwer wird.

Eine Minderheitsregierung reizt in der CDU ebenfalls nur wenige. Der schönen Theorie – ein Kabinett aus lauter Unionsministern! – steht die traurige Praxis entgegen. Statt „CDU pur“-Politik zu machen, müsste die Regierung noch mehr Kompromisse eingehen als jetzt, um Mehrheiten im Parlament zu finden. Als Verteidigungsministerin täte sich AKK besonders schwer. Auch an eine kraftvolle EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 wäre kaum zu denken.

Das SPD-Duo steckt im Dilemma

Der Verlauf des SPD-Parteitags spricht aber dafür, dass sich die Frage nach einer Minderheitsregierung gar nicht stellt. Kramp-Karrenbauer hat daran ohnehin nicht geglaubt, nicht einmal, als Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken das Team des Vizekanzlers deklassierten. Sie kennt die Zwickmühle, in die neue Chefs kommen, die den Wettlauf knapp gewinnen. Auch sie selbst musste nach dem Sieg über Friedrich Merz auf die Unterlegenen zugehen und ihre Anhänger damit frustrieren.

Das SPD-Duo steckt im gleichen Dilemma. Die CDU-Chefin hat den beiden den Schwenk vom Anti-Groko-Fundi- ins Realo-Lager indirekt sogar erleichtert. Sie machte bewusst ihre Absprache mit Olaf Scholz öffentlich, dass der Grundrenten-Kompromiss erst umgesetzt wird, wenn klar ist, dass die Koalition hält.

Dass SPD-Linke sich über „Erpressung“ empörten, zeigt, wie genau das Manöver traf. Denn seither stand für jeden SPD-Delegierten gut sichtbar der Preis für den Ausstieg im Schaufenster.

Wenn in ihrer Partei zugleich die Botschaft hängen bliebe: „Die Chefin hatte schon vorher listig vorgebaut, damit wir nicht über den Tisch gezogen werden“, dann wäre das Kramp-Karrenbauer doppelt recht. Auf sie wartet jetzt ja die nächste Führungsprüfung: Die eigenen Truppen auf Linie halten und zugleich mit der neuen SPD-Spitze so hart verhandeln, dass die nichts von Wert bekommt – aber der Schwarze Peter trotzdem bei Walter-Borjans und Esken bleibt.

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