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Wahlen: Spannungen vor Präsidentenwahl in der Türkei

Außenminister Gül bleibt Kandidat für die Präsidentenwahl - und die Opposition bei ihrer Boykottdrohung.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül, dessen Präsidentschaftsambitionen im Mai eine Putschdrohung der Militärs ausgelöst hatten, bleibt vorerst bei seiner Kandidatur für das höchste Staatsamt. Beim Wahlerfolg seiner fromm-konservativen AK-Partei am vergangenen Sonntag sei der Wille des Volkes klar zum Ausdruck gekommen, sagte Gül am Mittwoch. Im neu gewählten Parlament will er sich nach dessen Konstituierung nächste Woche um die Unterstützung auch anderer Parteien bemühen. Die kemalistische Oppositionspartei CHP kündigte aber bereits an, sie werde Güls Bewerbung erneut durch einen Parlamentsboykott zu blockieren versuchen.

Gül sagte bei einer Pressekonferenz, im neuen Parlament gebe es eine klare Mehrheit. Zudem seien 85 Prozent der türkischen Wählerstimmen im Plenum repräsentiert. Er könne nicht die Augen davor verschließen, was er während des Wahlkampfes auf den Marktplätzen des Landes erlebt habe. Die Anhänger der AK-Partei hatten ihn häufig mit Sprechchören empfangen: „Das Präsidentenamt gehört dir.“

Auf eine klare Ankündigung einer erneuten Kandidatur wollte sich Gül bei der Pressekonferenz aber nicht festlegen lassen. Damit hielt er sich eine Hintertür für den Fall offen, dass er im Parlament keine ausreichende Mehrheit organisieren kann. Ministerpräsident und AK-Parteichef Recep Tayyip Erdogan hat seine Bereitschaft zu Kompromissen in der Präsidentenfrage signalisiert.

Güls Bewerbung hatte im Mai zum Machtkampf zwischen der frommen Anhängerschaft Erdogans und den Kemalisten geführt, die Erdogan als Islamisten betrachten. Kemalisten in Politik und Armee lehnen Gül unter anderem deshalb ab, weil seine Frau Hayrünnisa ein Kopftuch trägt. Die Militärs drohten damit, gegen die Regierung einzuschreiten, falls Gül gewählt werden sollte. Am Dienstag hatte ein ehemaliger General erneut vor einem Eingreifen der Armeeführung gewarnt, falls der Prozess zur Wahl des Staatspräsidenten „aus dem Gleis gerät“.

Im Parlament müssen bei der Wahl des Präsidenten mindestens 367 Abgeordnete anwesend sein; die AK-Partei verfügt selbst nur über 340. Die CHP mit ihren 112 Abgeordneten will Gül boykottieren, die 23 Parlamentarier der Kurdenpartei DTP reichen als Unterstützer ebenfalls nicht aus. Eine Schlüsselrolle fällt so der rechtsnationalen MHP mit 71 Abgeordneten zu. Sollte die Präsidentenwahl erneut scheitern, müssten wieder Neuwahlen ausgeschrieben werden. Die Chancen Güls auf seine Wahl stehen heute besser als im Mai: Bei den Parlamentswahlen bestraften die türkischen Wähler den damaligen Sitzungsboykott der Opposition. Und viele neue Parlamentarier, die viel Geld in den Wahlkampf gesteckt hatten, dürften ihren frisch gewonnenen Platz im Plenum nicht durch eine abermalige Neuwahl gefährden wollen.

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