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Update

Landtagswahl: Patt in Nordrhein-Westfalen, Schwarz-Gelb abgewählt - Wowereit: Signal über NRW hinaus

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Wahl in Nordrhein-Westfalen ist die CDU ganz knapp die stärkste Partei, hat aber dieselbe Mandatszahl im Landtag wie die SPD. Es gibt ein Patt. Schwarz-Gelb ist aber in jedem Fall abgewählt. "Das ist auch gut für Berlin", sagt Klaus Wowereit und hofft auf eine andere Steuerpolitik.

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Welches Bündnis als nächstes im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland regiert, ist unklar. Praktisch mit jeder Hochrechnung ergab sich am Wahlabend ein anderes Bild. Zunächst schien es für eine rot-grüne Koalition zu reichen, dann errechnete die ARD eine Mehrheit für Schwarz-Grün. Am Ende reichte es für keines der beiden Bündnisse mit grüner Beteiligung - beide verfehlen die Mehrheit um je einen Sitz. Möglich sind nach jetzigem Stand wohl nur eine Große Koalition oder ein rot-rot-grünes Bündnis.

Eine rot-rot-grüne Regierung gilt aber als wenig wahrscheinlich, nachdem SPD und Grüne die Linke im Wahlkampf immer wieder als nicht regierungsfähig bezeichnet hatten. Eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP hatten die Grünen vor der Wahl explizit ausgeschlossen, die Ampel wiederum war von der FDP strikt abgelehnt worden.

Die CDU von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers rutscht laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 34,6 Prozent der Stimmen (2005: 44,8 Prozent) ab und stellt künftig 67 Mandate. Die SPD mit Oppositionsführerin Hannelore Kraft erreicht 34,5 Prozent (2005: 37,1) und ebenfalls 67 Mandate. Die FDP kommt auf 6,7 Prozent (2005: 6,2) der Stimmen und erringt damit 13 Sitze. Die Grünen verbessern sich stark auf 12,1 Prozent (2005: 6,2) oder 23 Sitze. Die Linkspartei schafft mit 5,6 Prozent (2005: PDS 0,9/WASG 2,2) den Sprung in den Düsseldorfer Landtag und stellt künftig 11 Abgeordnete. Die "sonstigen" Parteien erhielten insgesamt 6,5 Prozent der Stimmen.

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen konnten die Grünen in den jüngeren und mittleren Altersgruppen erheblich zulegen. Mit 18 Prozent sind sie demnach bei den 30- bis 44-Jährigen inzwischen etwas stärker als bei den 18- bis 29-Jährigen mit 17 Prozent. Erfolgreich in dieser Gruppe der Jung- und Erstwähler sei mit 7 Prozent die Piratenpartei, auch die FDP habe hier 7 Prozent geholt.

Die Herausforderin Hannelore Kraft wurde von ihren Anhängern umjubelt. "Die SPD ist wieder da", sagte sie. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gestand seine Niederlage ein. „Dieser Wahlabend ist für die CDU in Nordrhein-Westfalen, auch für mich ganz persönlich, ein bitterer Abend“, sagte Rüttgers am Sonntagabend in Düsseldorf. „Eins ist klar: Ich persönlich trage die Verantwortung, die politische Verantwortung für dieses Ergebnis. Und ich will sie auch tragen.“ Der CDU-Politiker Elmar Brok, der dem NRW-Landesvorstand angehört, sagte, Rüttgers habe dort seinen Rücktritt als Landesparteichef angeboten, was das Gremium aber abgelehnt habe.

Wowereit: "Unsägliche Steuersenkungspolitik nicht mehr durchsetzbar"

Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, sagte: "Nachdem Schwarz-Gelb abgewählt wurde, gibt es Hoffnung auf neue Perspektiven in Nordrhein-Westfalen." Das Wahlergebnis sei aber auch ein Signal weit über das größte Bundesland hinaus: "Die Kanzlerin und ihre Koalition können bei Wahlen keine Mehrheit mehr hinter sich bringen. Das ist auch gut für Berlin." Denn die "unsägliche Steuersenkungspolitik von CDU und FDP" sei jetzt im Bund nicht mehr durchsetzbar." Insgesamt sei das NRW-Ergebnis "eine gute Nachricht für die Bürger. Unsoziale Gesetze können jetzt nicht mehr durchgesetzt werden", sagte Wowereit mit Blick auf den Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat.

Schwarz-Gelb war in Nordrhein-Westfalen seit 2005 an der Macht – die Abwahl ist nach dem schwarz-gelben Wahlsieg im vergangenen Herbst im Bund ein Dämpfer für Kanzlerin Angela Merkel, vor allem aber für den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, der in Bonn seine Heimat hat. Peter Altmaier, CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, sagte: „Der Verlust trifft uns hart.“ SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann jubelte: „Das System Rüttgers ist abgewählt worden. Schwarz-Gelb kann auch im Bund nicht mehr durchregieren.“ Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir versicherte: „Wir sind nicht die neue FDP.“

Linke will mitregieren

Für die Linke galt die Wahl als wichtiger Stimmungstest nach dem angekündigten Rückzug von Parteichef Oskar Lafontaine aus der Bundespolitik. Bei der Wahl 2005 waren PDS (0,9 Prozent) und WASG (2,2 Prozent) noch getrennt angetreten. Nach der NRW-Landtagswahl vor fünf Jahren hatten der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende Lafontaine und der PDS-Politiker Gregor Gysi das Linksbündnis geschmiedet und die PDS-Nachfolgepartei damit bundesweit verankert. Linken-Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann versicherte zur Frage einer Regierungsbeteiligung: „An uns wird ein tatsächlicher Politikwechsel nicht scheitern.“

Der designierte Linken-Vorsitzende Klaus Ernst forderte die SPD auf, die Chancen für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis in Nordrhein-Westfalen auszuloten. "Wenn die SPD ihr Programm ernst nimmt, dann wird sie es ohne die Linken gar nicht durchsetzen können", sagte Ernst dem Tagesspiegel. "Wir stehen für einen Politikwechsel zur Verfügung", versicherte er - und verwies unter anderem auf Übereinstimmung beim Kampf gegen die Studiengebühren. "Die SPD muss sich entscheiden, ob sie in Nordrhein-Westfalen eine andere Politik machen will oder mit der CDU so weitermachen wie bisher."

Skeptisch äußerte sich Ernst, der am kommenden Wochenende auf einem Bundesparteitag in Rostock zum Linken-Chef gewählt werden soll, zu den Aussichten bei einer rot-grünen Regierungsmehrheit. "Das wäre nicht das, was die Bürger wollen. Man muss nur einen Blick auf die letzten rot-grünen Regierungen werfen - am Erbe von Hartz IV haben wir heute noch zu tragen." Auf die Frage, er selbst als Linken-Vorsitzender zur Aussöhnung mit der SPD beitragen wolle, sagte Ernst: "Mein Ziel ist momentan nicht die Aussöhnung mit der SPD. mir geht es darum, dass wir als Linke so stark sind, dass weder die SPD noch die anderen politischen Parteien an uns vorbeikönnen."

Wahlbeteiligung äußerst niedrig

Die Beteiligung an der Wahl im größten Bundesland blieb trotz des erwartet knappen und spannenden Wahlausgangs mit 59,3 Prozent extrem niedrig. 2005 hatte sie bei 63,0 gelegen. Im Jahr 2000 war die Wahlbeteiligung mit 56,7 Prozent auf ihren bisherigen Tiefstand gefallen. Knapp 13,5 Millionen Menschen, darunter 930.000 Erstwähler, konnten im bevölkerungsreichsten Bundesland ihre Stimme abgeben – das sind mehr als ein Fünftel der Wahlberechtigten bundesweit. Erstmals konnten die Wähler zwei Stimmen abgeben, also auch über den Direktkandidaten in ihrem Wahlkreis entscheiden. Überhangmandate können die Sitzverteilung im nächsten Düsseldorfer Landtag noch beeinflussen.

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