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Wahlkampf-Auftakt: Piratenpartei: Anders und unartig

Die Piratenpartei polarisiert und demonstriert Ernsthaftigkeit – für einen Erfolg aber braucht sie einen langen Atem. Am Donnerstag lud sie zum Wahlkampf-Auftakt.

Berlin - Sie wollen Land gewinnen. Auch in der analogen Welt. „Wir sind keine Internetpartei“, sagte Aaron Koenig, Vorstandsmitglied der Piratenpartei, beim Wahlkampfauftakt am Donnerstag in Berlin dem Tagesspiegel. Die Piratenpartei wird erstmals zur Bundestagswahl antreten und in – bis auf Sachsen – allen Bundesländern auf den Wahlzetteln stehen. Von der Nischenpartei zur Volkspartei? So ist zumindest der Plan.

„Wir wollen die Fünf-Prozent-Hürde knacken“, sagte Koenig. Mitmach-Wahlkampf lautet das Konzept dafür, das sie in einer Strandbar an der Spree in Berlin vorstellten. Geld haben sie wenig, einen Wahlkampfleiter schon gar nicht. Die Plakate und Fernsehspots für die Bundestagswahl sind in einer Internetaktion und einem Wettbewerb entstanden.

Sie sind in aller Munde, polarisieren. Mit ihren Themen haben sie offenbar einen Nerv getroffen, den die etablierten Parteien bisher verfehlt haben. Wirken der Name und das Auftreten auf den ersten Blick wie eine Spaßpartei, wird bei genauerem Hinsehen die Ernsthaftigkeit der jungen Politiker deutlich. Sie setzen sich ein für Bürgerrechte und gegen Datenspeicherung. Die von Ursula von der Leyen (CDU) geplante Netzsperre , um Kinderpornografie im Internet zu blockieren, war der wichtigste Schub der Piraten. Nicht nur sie warnen, dass eine Struktur geschaffen werde, die Zensur fördere.

Nach Ansicht von Politikwissenschaftler Peter Lösche wird es schwer für die Piratenpartei, ihr Potenzial zu vergrößern. „Wir haben hier eine Ein-Punkt-Partei, die aus dem Netz kommt und dort dominiert.“ Ihr fehle die Themenbreite, in der sich die Wähler wiedererkennen. Koenig hält dagegen: „Wir haben mehrere Themen, Bürgerrechte zählen für uns nicht nur für das Internet.“ Ein freier Zugang zu Bildung und Information für jeden sei eines von vielen Anliegen. Doch bei manchen Themen seien sie noch nicht so weit: „Wir wollen keine Schnellschüsse“.

Zwar liegen ihre Wurzeln im Internet, doch einen Makel sehen die Piraten darin nicht. „Sind die Grünen aus einer analogen Umweltbewegung entstanden, sind wir die erste Bewegung aus einer digitalen Umweltbewegung heraus“, sagte Koenig. Sie seien eine soziale Bewegung für die analoge Welt.

„Die Leute wollen nicht noch eine Partei, die funktioniert wie die anderen“, sagte Christoph Bieber, Politikwissenschaftler und Experte für Internet und Politik vom Zentrum für Medien und Interaktivität (ZMI) an der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Es ist genau die richtige Strategie für den ersten Wahlkampf, ein klares und enges Profil zu haben.“ Man dürfe bei einer so jungen Partei kein 60-Seiten-Programm erwarten .

Bei der Europawahl in Deutschland holte die Piratenpartei zwar nur 0,9 Prozent, aber die schwedische Mutterpartei konnte einen Abgeordneten ins Europaparlament schicken. Sie hat bereits rund 5700 Mitglieder. Wird der Partei die Mitgliedschaft von Jörg Tauss schaden? Nein, sagt Koenig. Tauss sei im Wahlkampf ein wichtiger Mann, von dem sie in der Politik noch viel lernen könnten. Die Vorwürfe im Zusammenhang mit kinderpornografischem Material seien haltlos. Außerdem müsse für Tauss noch immer die Unschuldsvermutung gelten.

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