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Wahlkampf: FDP diskutiert höhere Mehrwertsteuer

Landeschef Kubicki hat sich verplappert: Er stellte eine höhere Mehrwertsteuer in Aussicht. Die Bundes-FDP dementiert. Sie fürchtet um ihr Image als Steuersenkungspartei.

Claus Strunz traute seinen Ohren nicht. "Habe ich das gerade richtig verstanden?", fragte der Talkshow-Moderator nach. Auch Petra Pau kicherte ein bisschen in sich hinein: Endlich steht die FDP auch mal zu einer unpopulären Idee, schien sie zu denken. Endlich beginnt die Partei, die seit Monaten im Aufwind ist, zu erklären, wie sie ihre versprochenen Steuerentlastungen nach der Bundestagswahl finanzieren will.

Zwischen Strunz und Pau saß Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP in Schleswig-Holstein und Mitglied des FDP-Bundesvorstands. Die Sendung: "Was erlauben Strunz?" auf N24. Kubicki stellte in Aussicht, dass die von der FDP versprochenen Steuerentlastungen durch eine Mehrwertsteuererhöhung gegenfinanziert werden müssen. Wörtlich sagte er: "Im Rahmen einer umfassenden Steuerreform kann es auch sein, dass Steuern steigen. Beispielsweise muss man sich unterhalten, was machen wir mit der Mehrwertsteuer im Rahmen einer umfassenden Steuerreform?"

Ist die FDP, deren Credo doch seit jeher "Steuern runter" lautete, also insgeheim doch eine Steuererhöhungspartei?

Kubicki schüttelte eilig den Kopf. "Die Einkommenssteuern sollen sinken, jedenfalls in den Bereichen, auf die es ankommt", erläuterte er. Aber man müsse "sich irgendwann darüber unterhalten, ob man das System nicht umstellt zu mehr indirekten Steuern, weg von den direkten Steuern".

Also sei der Ansatz der FDP: "Eine Verlagerung von der Einkommenssteuer hin zur Mehrwertsteuer." Hier läge Deutschland ohnehin im unteren europäischen Durchschnitt. Die Bürger würden davon profitieren, so der FDP-Mann. "Es führt im Ergebnis zu einer Nettoentlastung."

Haben wir also bisher etwas nicht mitbekommen? Tatsächlich sprechen sich die FDP und der liberale Flügel der Union seit Langem für eine Verlagerung der Steuern aus. Allerdings ist davon in den aktuellen Wahlprogrammen nichts zu lesen.

Der FDP-Spitze ist das Vorpreschen Kubickis unangenehm. "In unserem Wahlprogramm gibt es keine entsprechenden Änderungsvorschläge", sagt der Parteisprecher. Kubicki sei "ohne jede Absprache mit der Bundespartei" vorgeprescht.

Hat er sich verplappert? Oder einen Wunschtraum geäußert? Kurz: Kommt nach einem möglichen Machtwechsel eine Erhöhung der Mehrwertsteuer? Der Sprecher atmet laut aus – und verspricht eine Reaktion des Generalsekretärs.

Wenige Minuten später kommt eine knappe Mail. Überschrieben ist sie, wie man das von der FDP kennt: "Beim Thema Steuererhöhung sind wir taub", steht da. Die letzte Mehrwertsteuererhöhung der Großen Koalition habe "schon genug Wachstum, Wohlstand und Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Politik" gekostet.

Dann das unmissverständliche Fazit Niebels: "Eine Mehrwertsteuererhöhung gibt es nicht, Punkt." Und der Nachsatz: "Da sind sich FDP und Union komplett einig."

Spätestens hier beginnt man wieder zu zweifeln. Schließlich war es die CDU-Chefin Angela Merkel, die sich im vergangenen Wahlkampf für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer eingesetzt hatte. Die Argumentation war damals die gleiche wie die Kubickis: Nur so könne man eine namhafte Senkung der Einkommensteuer gegen finanzieren.

Andere FDP-Politiker halten sich an diesem Tag zurück mit konkreten Festlegungen. Der finanzpolitische Parteisprecher möchte sich zu diesem Thema heute nicht äußern. Sonst ist Hans-Otto Solms nie um ein Statement verlegen. Heute lässt er seine Referentin ausrichten, man möge sich bitte in dieser Frage an Herrn Niebel wenden.

Dafür fühlte sich die Kanzlerin bemüßigt auf Kubicki zu reagieren. Sie erteilte einer Erhöhung der Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl eine klare Absage erteilt. Das sei "eine Kanzlerinnen-Garantie", sagte Merkel der Leipziger Volkszeitung.

Quelle: ZEIT ONLINE

Michael Schlieben

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