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Wahlrecht: Probleme mit dem Überhang

Der Bundestag debattiert über die von Karlsruhe verlangte Änderung des Wahlrechts bezüglich der Überhangmandate. Die Frist für eine Neuregelung ist bald abgelaufen, eine Lösung aber nicht in Sicht.

Lange Reden, kurzer Sinn: Gut drei Monate vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist zur Änderung des Wahlrechts weiß der Bundestag noch nicht, was das Ergebnis sein soll. Schwarz-Gelb ist sich nicht völlig einig und musste am Donnerstag in der Bundestagsdebatte zum Thema eingestehen, dass seitens der Regierungsfraktionen noch kein Vorschlag vorliegt. Der von den Grünen vorgelegte Gesetzentwurf wird von allen anderen Parteien abgelehnt, die Vorstellungen der SPD gelten als problematisch, und die Linken wollen ihren großen Wurf demnächst vorlegen.

Dabei haben die Karlsruher Richter nur ein kleines Detail moniert: das negative Stimmgewicht, eine versteckte Besonderheit der deutschen Verbindung von Direkt- und Listenwahl, die – kurz gesagt – zu Verzerrungen des Wahlergebnisses zwischen den Ländern und den Parteien führen kann. Daran geknüpft ist das Problem der Überhangmandate, von denen es im aktuellen Bundestag 24 der Union gibt, deren Zahl aber im Fünfparteiensystem durchaus noch wachsen kann. Denn sie entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Verhältnis der Parteien eigentlich zustünden.

Die Grünen plädieren dafür, Überhangmandate in einem Bundesland auszugleichen, indem Listenmandate in anderen gestrichen werden. Und im Fall der CSU, die ja nur in Bayern antritt, durch Streichung der gewonnenen Direktmandate mit den geringsten Stimmzahlen. Der CDU-Abgeordnete Günter Krings nannte das „hanebüchen“ und undemokratisch, die Linke Halina Wawzyniak sagte, selbst ihre Partei werde keinen Vorschlag unterstützen, der allein zulasten Bayerns gehe. Wer solle denn noch zur Wahl gehen, wenn in einem Wahlkreis direkt gewählte Abgeordnete ihr Mandat entzogen bekämen?

Doch was tun stattdessen? Die SPD plädiert für zusätzliche Ausgleichsmandate (wie in vielen Landtagen) und eine Verringerung der „Normalzahl“ der Bundestagssitze, um das Parlament nicht zu groß werden zu lassen. Dagegen gab der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert zu bedenken, dass diese Lösung das Karlsruher Urteil übergehe, weil die Stimmenverzerrung weiterbestehe und nur deren Folgen kuriert werden. Die Union wiederum neigt dazu, die Listenverbindungen der Parteien über die Landesgrenzen hinweg aufzuheben und das Problem des Ausgleichs der Überhänge auf Landesebene zu lösen. Was allerdings auch zu Verwerfungen führen kann. Einig waren sich alle Fraktionen in drei Punkten: Dass es kein Modell gibt, das völlig frei von Ungerechtigkeiten ist; dass man im Gespräch bleiben müsse; und dass die Zeit drängt.

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