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Gabriela Ramos, OECD Sherpa: "Die wichtigste Aufgabe ist, das Vertrauen wiederzugewinnen, das die G20 Antworten für die Menscheit liefern können."

© Tobias Koch / www.tobiaskoch.net

Was Frauen von der G20 fordern: "Wir wollen Taten sehen"

Geschlechtergerechtigkeit gehört ins Zentrum der G-20-Politik, fordern die Teilnehmerinnen des Women20. Frauen müssten wirtschaftlich gestärkt, als Unternehmerinnen gefördert und vor Gewalt geschützt werden.

Schon als Angela Merkel Frauenministerin war, blieb sie auf Abstand zur Bewegung. Und erst im Frühjahr wich sie diplomatisch aus, als sie gefragt wurde, ob sie sich als Feministin sehe: Mit dieser Feder, sagte sie beim W-20- Treffen mit den Frauenvertreterinnen der G-20-Staaten in Berlin, wolle sie sich nicht schmücken. Mona Küppers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, ist dennoch optimistisch, dass ihr Anliegen in Hamburg bei der Kanzlerin in guten Händen sein wird: „Auf unserem W-20-Gipfel hat sich die Bundeskanzlerin durchaus engagiert gezeigt. Sie hat dort sogar die Quote für Aufsichtsräte verteidigt mit dem Satz, die hätten sich die Unternehmen durch jahrelanges Nichtstun redlich verdient.“

Merkel habe auch vor anderen Dialoggruppen – vor Wirtschaftsvertretern, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften – betont, wie wichtig ihr beim Gipfel die wirtschaftliche Stärkung von Frauen sei. Was das im Ergebnis für das Großereignis in Hamburg bedeutet? „Darauf sind wir gespannt“, sagt Küppers. Es werde jedenfalls mehr brauchen als die bereits geplante Einrichtung eines neuen Fonds bei der Weltbank, der Unternehmerinnen unterstützen soll.

Unter dem Dach des Deutschen Frauenrates sind fünfzig deutsche Frauenverbände organisiert. Zusammen mit dem Verband deutscher Unternehmerinnen veranstaltete er den Gipfel der „Women20“, auf dem Frauen aus den G20 – den wirtschaftsstärksten und wichtigsten Schwellenländern – im April ihre Forderungen für den Hamburger Gipfel formulierten und der gastgebenden Kanzlerin übergaben.

Die Frauen fordern die G20 zur effektiven Umsetzung der "25-by-25"-Formel auf

Diese haben es in sich: Die Abschlusserklärung des Frauengipfels fordert, Geschlechtergerechtigkeit ins Zentrum der G-20-Politik zu stellen. „Wir sind der Auffassung, dass das Ziel der G-20-Staaten, in unserer vernetzten Welt ein an Teilhabe und Nachhaltigkeit ausgerichtetes Wirtschaftswachstum zu erzeugen, nur dadurch erreicht werden kann, dass Frauen wirtschaftlich gestärkt werden“, heißt es gleich im ersten Satz des W-20-Kommuniqués.

Das Thema müsse in sämtliche Haushaltspläne, politischen Programme und Wachstumsstrategien, fordern die Frauen – und weisen darauf hin, dass die G20 dazu schon früher schöne Worte gemacht hätten, denen dann aber zu wenige Taten gefolgt seien. Zum Beispiel beim „25 by 25“-Ziel, das der 20er-Gipfel von 2014 in Australien beschlossen hatte. Demnach soll die Beschäftigungslücke zwischen Männern und Frauen bis zum Jahr 2025 zu wenigstens einem Viertel geschlossen sein.

Gesagt und noch nicht getan. Der Gipfel in Hamburg müsse Druck machen, dass der schon nicht mehr so frische Beschluss in den Mitgliedsstaaten auch umgesetzt werde, fordern die W-20- Frauen. Mit „25 by 25“ begann übrigens vor drei Jahren ihre Beteiligung an den G-20-Gipfeln; auch für die Frauen gab es danach ein offizielles Dialogforum. Das erste W-20-Arbeitstreffen fand dann im Oktober 2015 unter der türkischen G-20-Präsidentschaft in Istanbul statt. „Seit der ,25 by 25’-Verabredung im Jahr 2014 warten wir auf mehr und vor allem: auf Konkretisierung“, sagt Mona Küppers. In Hamburg müssten die großen 20 jetzt „konkrete Maßnahmen, Zeitpläne und Monitoringverfahren verabreden, wie und in welchem zeitlichen Rahmen sie die wirtschaftliche Stärkung von Frauen mit dem Ziel der Gleichstellung umsetzen wollten“.

Die wachsende digitale Kluft zwischen den Geschlechtern müsse geschlossen werden

Der Forderungskatalog der Frauen für Hamburg bekennt sich auch zum Unternehmerinnentum: „Das riesige und bisher ungenutzte Potenzial von Unternehmerinnen zu fördern, würde sich auf die Erreichung der Wachstumsziele der G-20-Staaten äußerst positiv auswirken“, heißt es darin. Aufgabe der Regierungen sei es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Unternehmerinnen und Kooperativen von Frauen „gleichen Zugang zu Finanzmitteln und Märkten erhalten und dass ihnen ein gerechter Anteil an den globalen Wertschöpfungsketten gewährt wird“.

Als konkretes Problem nennt die Abschlusserklärung aus dem April „die wachsende digitale Kluft zwischen den Geschlechtern“, die es „so schnell wie möglich zu schließen“ gelte. Schließlich sei die Informations- und Kommunikationstechnik die treibende Kraft nachhaltiger Entwicklung und Motor der laufenden vierten Industrialisierung.

Auch für sich selbst will das noch junge Dialogforum der Frauen mehr Einfluss und einen eigenen Platz am Tisch der Großen: „W20 fordert die G-20-Präsidentschaft darum auf, ihnen die Teilnahme an G-20-Verhandlungen und an G-20-Sherpa-Treffen zu ermöglichen.“ Auch hier sieht Mona Küppers die Frauen auf gutem Weg. Die W20 seien zwar erst drei Jahre alt, „dafür aber schon ziemlich bekannt“.

Der Gipfel in Berlin im April habe einen Schub gebracht: „Wir haben dadurch unseren Öffentlichkeitswert immens steigern können und der Diskussion um Gleichstellung und Feminismus weltweit Nahrung gegeben. Wir haben uns im Konzert der anderen Dialoggruppen eine Stimme verschafft, wir wurden bei der internationalen Sherpa-Runde und verschiedenen G-20-MinisterInnen-Treffen vorstellig. Das sind Grundvoraussetzungen, um überhaupt Druck aufbauen zu können. Und wir sind entschlossen, dran zu bleiben.“

Viele der drängendsten Probleme von Frauen seien weltweit dieselben

Bleibt die Frage, ob die Einbindung der Zivilgesellschaft nicht nur Dekoration ist, die dem Protest auf der Straße etwas entgegensetzen soll. Nein, sagt Küppers: Dass Regierungen und Zivilgesellschaft miteinander reden, sei mehr als Dekoration, „ein Gebot demokratischer Gesellschaften“. Und sie vertraue dabei auf ein „vielfältiges Netz aus Interessenvertreterinnen aus allen G-20-Mitgliedsstaaten“, das sie und ihre Mitstreiterinnen mit viel Energie aufgebaut hätten – mit Frauenrechtlerinnen, Unternehmerinnen, Wissenschaftlerinnen, Parlamentarierinnen und Regierungsvertreterinnen.

Viele der drängendsten Probleme von Frauen seien weltweit dieselben, sagt Küppers: zum Beispiel die unfaire Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern – die für Deutschland gerade erst der neue Gleichstellungsbericht mit Zahlen belegte – oder die schlechte Bezahlung in den typischen Frauenberufen der Sorgearbeit. Hinzu kommt die allgegenwärtige Gewalt gegen Frauen: „Allen Gleichstellungsfortschritten zum Trotz ist sie endemisch – in Deutschland genauso wie überall sonst auf der Welt. Sie stellt ein hohes Risiko für Frauen dar, bedroht die innere Sicherheit und verursacht immense volkswirtschaftliche Schäden.“

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