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Kanzlerin Angela Merkel

© Thilo Rückeis

Global Solutions: Was hinter Merkels Datensteuer-Idee steckt

Vom Wert der Daten: Für Angela Merkel ist die „Bepreisung von Daten“ ein zentrales Gerechtigkeitsproblem. Was will die Kanzlerin erreichen?

Daten sind das Gold des Digitalzeitalters – aber ihr genauer Wert ist schwer zu ermitteln. Während Internetnutzer ihre Daten im Alltag kostenlos herausgeben, erwirtschaften Unternehmen mit diesen Informationen Gewinne in Milliardenhöhe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dies nun auf der Global-Solutions-Konferenz zur Vorbereitung des G-20–Gipfels in Buenos Aires erneut zum Thema gemacht. Sie brachte eine Steuerreform ins Gespräch, die für mehr Gerechtigkeit bei der wirtschaftlichen Verwertung von Daten sorgen soll.

Will die Bundeskanzlerin eine Steuer auf Daten erheben?

So deutlich wurde die Kanzlerin nicht.Sie sprach auf der Global Solutions Konferenz am Montag zunächst von einer Steuerreform, bei der Daten einbezogen werden sollten und forderte Wissenschaftler dazu auf, Ideen für Reformen zu entwickeln. Andernfalls werde man eine sehr ungerechte Welt erleben, in der die Einen Daten kostenlos lieferten und die Anderen damit Geld verdienten. Daten seien der Rohstoff der Zukunft.

Konkreter konnte Merkel nicht werden, denn ein System zur Wertermittlung von Daten muss erst noch gefunden werden. Ob sich Daten mit einem monetären Wert gleichsetzen lassen, halten die meisten Experten derzeit für fraglich. Denn zunächst müsste geklärt werden, in welcher Weise Daten zur Wertschöpfung eines Unternehmens beitragen. Oft gewinnen sie an Wert, nachdem sie weiter verarbeitet oder mit anderen Daten kombiniert wurden.

Was haben Daten mit Gerechtigkeit zu tun?

Viel. Und es geht dabei nicht nur um die Tatsache, dass Nutzer-Daten von Unternehmen vermarktet werden. Daten sind auch Quelle für Innovationen und damit für Marktmacht. Wer viele Daten besitzt, wie es die großen Internetkonzerne tun, kann immer weiter neue Konzepte entwickeln und somit stetig die Gewinne steigern. Kleine Unternehmen bleiben dabei auf der Strecke, weil ihnen die Voraussetzung für Innovation fehlt. „Die Bepreisung von Daten, besonders die der Konsumenten, ist aus meiner Sicht das zentrale Gerechtigkeitsproblem der Zukunft“, sagte Merkel auf der Global-Solutions-Konferenz.

Schon in der Haushaltsdebatte vergangene Woche im Bundestag hatte die Kanzlerin das Thema angesprochen. Man müsse darüber diskutieren, dass Daten einen Wert hätten, vergleichbar mit Arbeit. SPD-Fraktionschefin Nahles hatte die Debatte Anfang Mai angestoßen. Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssten ihre Daten teilen, so dass sie Gemeingut würden, verlangte Nahles.

Wie werden Internetkonzerne bisher besteuert?

In Deutschland gar nicht. Amazon, Google, Facebook und Co haben in Deutschland keinen Firmensitz. Ihre Firmenzentralen in Europa sitzen in EU-Ländern wie Irland und Luxemburg, die große Steuervorteile bieten. Deswegen werden die immensen Gewinne, die Unternehmen mit jenen Daten einnehmen, die ihnen Nutzer kostenlos überlassen, innerhalb der Europäischen Union bislang kaum besteuert. Änderungen im Steuersystem werden in der EU zwar diskutiert. Aber es gibt Widerstände.

Welche Vorschläge zur Besteuerung von Internetkonzernen gibt es?

Die Pläne der EU-Kommission beinhalten zum einen, dass Gewinne dort versteuert werden müssen, wo die Nutzer interagiert haben. Dann müsste Amazon die Gewinne, die es mit deutschen Nutzern erzielt, auch hierzulande versteuern. Außerdem will die EU-Kommission eine „Digital Service Tax“ auf die Umsätze der großen Unternehmen erheben. Bisher konnten die Mitgliedsländer sich nicht auf eine Lösung einigen. Steuerregelungen müssen die EU-Länder einstimmig beschließen, sie gelten deswegen als besonders schwierig.

Beim Global Solution-Kongress äußerte sich die Kanzlerin eher skeptisch zu den EU-Plänen. Es sei fraglich, ob sich die Körperschaftssteuer oder die Orientierung am Umsatz eigne, sagte Merkel. Ähnliches hatte sie bereits in der Haushaltsdebatte vergangene Woche gesagt. „Natürlich ist das nicht in Ordnung, dass Google, Amazon und Facebook, wie sie alle heißen, keine Steuern in Europa zahlen“, sagte sie damals.

Wie fallen die Reaktionen auf Merkels Vorstoß aus?

Dass das Thema Daten wichtig ist, darin sind sich alle einig. Der Koalitionspartner SPD begrüßte die Idee, neue Konzepte aus der Wissenschaft in die Debatte miteinzubeziehen. Außerdem müsse vieles auf internationaler Ebene geklärt werden, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD, Jens Zimmermann. Dass Daten einen hohen Wert hätten, sehe man etwa beim Verkauf von Whatsapp an Facebook. Hier sei Nutzerprofilen ein Preisschild angeheftet worden. 2014 hatte Facebook den Messengerdienst für 19 Milliarden Dollar (11,65 Milliarden Euro) gekauft. Bei rund 450 Millionen Nutzern im Februar 2014 entspricht das 42 US-Dollar pro Nutzer (knapp 26 Euro).

Kritik gibt es vor allem aus der Opposition. Die Koalition treibe jeden Tag „eine neue Sau durch's Dorf“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz. „Gestern war es das neue Datenrecht, heute ist es ein Vorstoß zur zukünftigen Besteuerung von Daten. Das alles grenzt an politischen Klamauk und hat mit einer seriösen Politik für den Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger im Digitalen nichts mehr zu tun.“

Die FDP kritisierte eine mögliche Datensteuer allerdings als „abenteuerlich“. Das eigentliche Problem liege darin, dass in Deutschland kein modernes Datenrecht existiere, das den Bürgern die Hoheit über ihre eigenen Daten zurückgebe, sagte der netzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Manuel Höferlin. Die Linken-Netzpolitikerin Anke Domscheit-Berg bezeichnete die Idee, Daten als Vermögen zu besteuern, als absurd. Der Wert von Daten sei nicht in Euro zu ermitteln Internetkonzerne müssten deshalb gemäß den EU-Plänen zur Kasse gebeten werden. Domscheit-Berg plädierte in diesem Zusammenhang dafür, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU in dieser Frage auszusetzen.

Gibt es bereits innovative Ansätze?

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeitet an Lösungsvorschlägen, die sie 2020 final präsentieren will. Experten wie Pola Schneemelcher vom Jacques Delors Institut fordern eine internationale Lösung. Nur wenn parallel auch das internationale Steuersystem reformiert werde, zum Beispiel Verrechnungspreis- und Transparenzregeln angepasst würden, könne eine Steuer Wirkung entfalten. Die Ansätze dürften nicht außer Acht lassen, dass es bald keine „nicht-digitale Wirtschaft“ mehr geben würde, da alle Unternehmen zumindest teilweise digital arbeiten werden. Eine eigenständige Steuer für die digitale Wirtschaft wie die „Digital Service Tax“ sei kurzsichtig.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Mayer-Schönberger, Professor am Oxford Internet Institute. Er will eine Steuer erheben, die Unternehmen zumindest zu einem Teil in der Form von Daten bezahlen. Wenn diese Daten allgemein zugänglich gemacht würden, bekämen neue, kleinere Anbieter eine Chance, gegen die Großen anzutreten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Selbstverständlich sei es wichtig, bei einer solchen Lösung den Datenschutz einzuhalten. Mayer-Schönberger betonte, dass es bereits Beispiele gäbe, wo das Modell funktioniere. So habe Google in den ersten zehn Jahren in den USA seine Daten teilen müssen - unter anderem mit dem Konkurrenten Microsoft.

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