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 Freizeit im Übermaß: Die meisten Flüchtlinge empfinden das "verordnete Rumhängen" in den Aufnahmeeinrichtungen - hier in Ellwangen - als verlorene Zeit.

© Marijan Murat/dpa

Flüchtlingsforschung: Was wir über Flüchtlinge nicht wissen

Über Flüchtlinge weiß man nicht viel - eine Studie soll das ändern. Besonders im Fokus rückt dabei der Blickwinkel der Flüchtlinge selbst, um auch Konzepte für deren Integration zu entwickeln.

Flüchtlinge sind aktuell das meistdiskutierte Thema der deutschen Politik und der Gesetzgebung. Aber was weiß man über sie? Nicht richtig viel, fanden jetzt die Bosch-Stiftung und des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration heraus. Beide haben den Forschungsstand gesichtet, um ihn demnächst in einer eigenen Studie zu verbessern, die 2017 erscheinen soll. Am wichtigsten wird dabei der Blickwinkel der Flüchtlinge selbst sein, auch um Konzepte für deren Integration zu entwickeln.

Kaum Arbeit, kaum Lohn

Bekannt ist bereits einiges über die Lage von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt, meist Deprimierendes: Nur 3,5 Prozent der Asylsuchenden, Geduldeten und anerkannten Asylbewerber im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 65 Jahren arbeiten und dies meist zu Niedriglöhnen. In Berufen, die eine Ausbildung voraussetzen, haben sie Anteile von unter einem halben Prozentpunkt. Und einige anscheinend auch falsche Vorstellungen von ihren Möglichkeiten: In einer Befragung - die allerdings von 2002 stammt - zeigten sich junge Flüchtlinge „bestürzt“ darüber, wie wichtig Deutsch in Beruf und Ausbildung ist. Wie sich die erst letztes Jahr verabschiedeten leichtere Zugang zum Arbeitsmarkt auch für Geduldete und Flüchtlinge im Verfahren auswirkt, ist noch nicht untersucht. Eine noch sehr junge Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fand 2015 allerdings herausgefunden, dass der zunächst magere Beschäftigungsanteil fünf Jahre nach der Ankunft in Deutschland auf 50 Prozent steigt und später weiter klettert.

"Verordnetes Rumhängen"

So wichtig angesichts dieser Lage rasches Deutschlernen wäre: Ein „Sprachbad“ in deutscher Umgebung findet kaum statt, nicht zuletzt, weil Flüchtlinge lange Zeit in Aufnahmeeinrichtungen verbringen müssen. Die Regeln dazu wurden erst kürzlich verschärft. Alle vorhandenen Studien - teils schon ein paar Jahre alt – zeigten, dass soziale Kontakte und Freundschaften so vor allem unter Landsleuten stattfinden. In einer neueren repräsentativen Studie der Bosch-Stiftung von 2014 sagten zudem nur fünf Prozent der befragten Einheimischen, sie hätten enge Kontakte zu Asylsuchenden. Die viele Freizeit, die die Flüchtlinge zwangsläufig haben, „verordnetes Rumhängen“ nennt es der Bericht, empfinden sie allen verfügbaren Befragungen zufolge als unnütz und Zeitverschwendung.

Positives Bild von deutschen Tugenden

Das Verhältnis der Neuen zu ihrer neuen Heimat - auf Dauer oder auf Zeit - und der Veränderung des eigenen Lebens durch Deutschland liegen der Bestandsaufnahme nach „keine systematischen Studien vor“. Eine Befragung 2008 mit Flüchtlingen in Jena, Schwäbisch-Hall, Berlin und München fand jedoch heraus, was sie an Deutschland nicht mögen und was sie schätzen: Moniert wurde häufig die Anonymität des Lebens und die Distanz der Deutschen, Perfektionsstreben und Reglementierung, die Bedeutung des Materiellen und die Ausländerfeindlichkeit. Andererseits wurden Höflichkeit, Offenheit, Ehrlichkeit, Arbeitsmoral, Zielstrebigkeit, Pünktlichkeit positiv vermerkt und dass man sich sicher und gleich vor dem Gesetz fühlen könne. Weitere geschätzte Punkte: Religionsfreiheit, die deutschen Schulen - und die Rechte der Frauen.

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