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Washingtoner Atomgipfel: Kleine Schritte, große Harmonie

Erste Erfolge auf dem Atomgipfel: Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich bereits am ersten Abend "sehr zufrieden". Doch US-Präsident Obama nutzt das Treffen auch, um einer anderen nuklearen Gefahr zu begegnen: Iran.

Die Bundeskanzlerin zeigte sich bereits am ersten Abend des zweitägigen Atomgipfels von Washington "sehr zufrieden". Die Sicherheit des frei flottierenden Nuklearmaterials zu erhöhen, das sei eine "richtige Antwort" auf die Fragen des 21. Jahrhunderts, sagte Angela Merkel. Internationaler Terrorismus, asymmetrische Kriege, der Schmuggel mit spaltbarem Material – das seien heute gewaltige Probleme.

Und für ihre Verhältnisse geradezu emphatisch lobte sie Barack Obama: Wann gelänge es heute schon einmal, 44 so völlig unterschiedliche Länder mit so völlig unterschiedlichen Interessen für ein drängendes Anliegen in Sachen Atomgefahr zu gewinnen.

Auch der Gastgeber lächelte schon, bevor alle Gäste eingetroffen waren. Schließlich konnte Obama schon am Anfang einen kleinen Erfolg präsentieren. Stolz verkündete sein Pressesprecher am Montag kurz vor 14 Uhr der Presse, dass die Ukraine bis zum nächsten Gipfel in Südkorea in zwei Jahren ihr gesamtes atomwaffenfähiges Uran loswerden und etwa in den USA einlagern wolle. Kanada plant Ähnliches.

Das ist der eigentliche Zweck dieses Treffens: Alle in Washington versammelten Staaten erklären sich bereit, das in aller Welt herumliegende strahlende Material so zu sichern, dass es nicht in die Hände von Terroristen gerät. Es geht dabei nicht nur um hoch angereichertes Uran aus Waffenschmieden und Kernkraftwerken, sondern ebenso um gering strahlendes Material aus Röntgengeräten, aus der Landwirtschaft und Medizin. Dieser Punkt war besonders der Bundeskanzlerin wichtig.

Denn wie ein Fall schon vor 23 Jahren in Brasilien demonstrierte, kann man mit einem gestohlenen und unfachmännisch zerlegten Röntgengerät – und sei es nur aus Versehen – bereits Hunderte von Menschen verstrahlen, einige von ihnen sogar tödlich. Wehe, wenn dieses Material in die Hände von zum Äußersten entschlossenen Terroristen gelangt.

Die Gefahr wächst, denn immer mehr Länder streben aus unterschiedlichsten Gründen nach der Kernkraft. Viele Anlagen und Transporte haben riesige Sicherheitsmängel, sie sind unbewacht, es fehlt an Wissen, an Technik und Geld, oft auch an der Einsicht und am guten Willen. Am Montag widmeten sich die Gipfelteilnehmer darum erst einmal der Bedrohungsanalyse.

Seit Jahren schon investieren die USA, Großbritannien und andere G-8-Staaten Millionen Dollar, um Nuklearanlagen vor allem in Russland und in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion vor Diebstahl und Missbrauch zu schützen. Doch die Sorgen gehen viel weiter und machen auch vor reichen und technisch hoch entwickelten Ländern nicht Halt. Mit Schrecken stellt man angeblich jüngst fest, dass ungeschützte und nur mit einer Plane bedeckte Lkws in der Nacht selbst durch Tokyo angereichertes Uran transportieren.

Auf dem Atomgipfel war aber ebenso die Rede von hoffnungsvollen Zeichen. Chile hat zum Beispiel nach dem Erdbeben sein hoch angereichertes Nuklearmaterial in einer geheimen Nacht-und-Nebel-Aktion in die USA verfrachtet. Vietnam schloss kürzlich für seine Atomkraft ein Sicherheitsabkommen mit dem ehemaligen Kriegsgegner Amerika. Und ohne die kräftige Mithilfe Russlands hätte sich die Ukraine soeben nicht von seinem gesamten atomwaffenfähigen Uran verabschiedet.

Das Treffen in Washington ist also kein Gipfel der leeren Versprechungen. Gleichwohl wird viel Zeit verstreichen, bis aus der Bereitschaft zur Sicherung von radioaktivem Material eine international verbindliche und strafbewehrte Verpflichtung wird. Obamas Ziel, die Probleme möglichst binnen vier Jahren aus der Welt zu schaffen, ist sehr ehrgeizig und wahrscheinlich zu hoch gesteckt.

Mindestens ebenso wichtig ist aber auch, was beim Atomgipfel am Rande geschieht. Zum Beispiel welchen Gast Barack Obama beiseite nimmt, unter vier Augen spricht und den Hof macht. Gleich zu Anfang traf er sich mit dem indischen und dann mit dem pakistanischen Premier. Vor Kurzem wurde bekannt, dass die Regierung in Islamabad in neuen Anlagen neue atomarer Sprengköpfe bauen lässt. Indien könnte nachziehen – eine gefährliche Spirale.

Anderthalb Stunden empfing Obama den chinesischen Präsidenten zum Privatissimum. Möglichst noch im April soll der UN-Sicherheitsrat nach dem Willen von Amerikanern und Europäern einschneidende Sanktionen gegen Iran beschließen. Die Russen sind wohl bereits mit an Bord und angeblich stellt sich auch China nicht mehr völlig quer. Die Zeichendeuter erblickten nach dem privaten Treffen neue Gemeinsamkeit.

Die Konferenz von Washington soll die Gefahr des Atomterrorismus verringern. Die Gipfel der kommenden Wochen sollen ein noch weit größeres Risiko einhegen: die Verbreitung der Atombombe.

Quelle: ZEIT ONLINE

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