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Ein leeres Schubfach in dem sonst rezeptpflichtige Nasentropfen gelagert werden in einem Apothekenschrank.

© dpa/Jens Büttner

„Wenn wir hier sparen, ist das nicht ethisch“: Bundestag beschließt Maßnahmen gegen Arznei-Lieferengpässe

Vorräte von mehreren Monatsmengen sollen in Zukunft für viel genutzte Medikamente Pflicht werden. Für den Gesundheitsminister ist das auch eine ethische Entscheidung.

Lieferengpässe bei Medikamenten besonders für Kinder sollen künftig mit zusätzlichen Maßnahmen zuverlässiger abgewendet werden. Der Bundestag beschloss dazu am Freitag ein Gesetz der Ampel-Koalition, das als Sicherheitspuffer Vorräte von mehreren Monatsmengen für vielgenutzte Arzneimittel zur Pflicht macht.

Zudem sollen Preisregeln gelockert werden, um Lieferungen nach Deutschland für Hersteller lohnender zu machen. Für Apotheken soll es leichter werden, bei nicht verfügbaren Präparaten auf ähnliche auszuweichen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, eine übertriebene Ökonomisierung habe die Versorgung mit patentfreien Medikamenten über die vergangenen Jahre deutlich verschlechtert.

Mittlerweile sei es eine „unhaltbare“ Situation. „Wir korrigieren das und ändern die Rahmenbedingungen so, dass Deutschland als Absatzmarkt für Arzneimittel wieder attraktiver wird.“

Lauterbach rechtfertigte Mehrausgaben insbesondere für Kinder. „Wenn wir hier sparen, ist das nicht ethisch.“ Längerfristig müsse es auch möglich werden, dass patentfreie Medikamente wieder mehr in Europa produziert werden.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, spricht auf einer Pressekonferenz.

© dpa/Fabian Sommer

Redner der Opposition lehnten die Gesetzespläne als unzureichend ab. Engpässe gab es zuletzt bei Fieber- und Hustensäften für Kinder, betroffen waren auch Krebsmedikamente und Antibiotika für Erwachsene. Aktuell sind gut 490 Meldungen zu Lieferengpässen amtlich erfasst.

Das Gesetz sieht daneben andere Neuregelungen vor. Geschaffen werden soll etwa auch eine dauerhafte Möglichkeit zu Krankschreibungen per Telefon ähnlich wie bei einer inzwischen beendeten Corona-Sonderregelung.

Kritik vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller hat die gesetzlich vorgesehene lange Lagerung von Medikamenten als „kontraproduktiv“ bezeichnet. „Negativ ist vor allem die Neuregelung hinsichtlich einer sehr langen Bevorratung von sechs Monaten auf Herstellerebene“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Hubertus Cranz, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern vor dem Hintergrund der heutigen Bundestagsentscheidung über ein Anti-Engpass-Gesetz bei Arzneimitteln.

Das sei „kontraproduktiv, da Lagerung kostenintensiv ist und Medikamente eventuell am Ende weggeworfen werden müssen, weil die Haltbarkeit überschritten wurde. Derartige Maßnahmen verdrängen Hersteller vom Markt, anstatt diese anzulocken“, so Cranz.

Er lobte allerdings auch den „kleinen Schritt in die richtige Richtung“ durch das Gesetz: „Im Bereich der Kinderarzneimittel dürfte sich die Situation verbessern, da Änderungen bei den Festbeträgen vorgenommen wurden. Die hatten u.a. dafür gesorgt, dass die Herstellung von Kindermedikamenten aus Sicht der Unternehmen besonders wenig lukrativ war.“ Die strukturellen Probleme des Marktes seien jedoch nicht angegangen worden.

Das kritisiert auch der Sozialverband Deutschland (SoVD): „Es fehlt uns an einer langfristigen Strategie gegen drohende Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln und bei Antibiotika“, sagte Michaela Engelmeier, Vorsitzende des SoVD.

„Höhere Medikamentenpreise allein garantieren noch keine Lieferketten. Bei finanziellen Anreizen für die Pharmaindustrie fordern wir darum mehr Augenmaß und weniger Gießkannenprinzip. Grundsätzlich gilt: Profitmaximierung und Preisdruck dürfen keine höhere Priorität als das Wohl der Menschen und deren Gesundheitsversorgung haben.“

Generell lobte sie aber: „Endlich bringt der Gesetzgeber Maßnahmen gegen Arzneimittelengpässe auf den Weg. Ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe und ausreichende Vorhaltekapazitäten für wichtige Medikamente können kurzfristig bei Störungen in der Lieferkette oder bei Mehrbedarfen helfen und Engpässe überbrücken.“

(dpa)

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