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Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Pressekonferenz im Kanzleramt.

© Fabrizio Bensch/Reuters Pool/dpa

Wie rechtssicher sind die neuen Corona-Beschlüsse?: Was es mit der nationalen Gesundheitsnotlage auf sich hat

Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben sehr drastische Maßnahmen beschlossen. Und brauchen dafür eine Rechtfertigung – politisch wie juristisch.

Hart, bitter, unumgänglich – die Wortwahl der Kanzlerin und der beiden sie begleitenden Landeschefs Michale Müller und Markus Söder in der Pressekonferenz nach der Bund-Länder-Runde sollte den Ernst der Stunde unterstreichen. Und die getroffenen harten Maßnahmen erklären. „Ein schwerer Tag für die politischen Entscheidungsträger“, sagte Angela Merkel. „Wir wissen, was wir den Bürgern zumuten.“

Insbesondere der Berliner Regierende Bürgermeister betonte, wie schwer ihm die Zustimmung gefallen sei. Und so war es auch Michael Müller, der in der Runde der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung besonders deutlich auf einen Passus im Beschlusspapier drang, der in den nächsten Tagen und Wochen noch eine größere Rolle spielen dürfte.

„Nationale Kraftanstrengung“

„Zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage“, so steht es nun in dem sechsseitigen Bund-Länder-Papier, sei es erforderlich, „durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten“.  Diese erhebliche Reduzierung ist mit deutlichen Einschnitten in das öffentliche Leben sowie die wirtschaftliche Tätigkeit ganzer Branchen verbunden.

Was Merkel und die Länderchefs vereinbarten, sind erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Da ist der nationale Alarmton – „nationale Kraftanstrengung“, ergänzte Merkel in der Pressekonferenz - wohl als notwendig empfunden worden.

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Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hatte den Begriff der Gesundheitsnotlage schon vor der Runde ins Gespräch gebracht. Aus dem Gesprächsverlauf in der Videokonferenz ergibt sich zwar kein ganz klares Bild, was den Beteiligten dabei vorschwebte.

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Merkel jedenfalls betonte, dass nur noch ein Viertel aller Infektionen nachzuverfolgen seien, die Sache also quasi aus dem Ruder zu laufen drohe. Und das Bundesgesundheitsministerium verwies darauf, dass nun schon sechs Prozent aller Tests positiv seien, gegenüber nur knapp einem Prozent im Sommer.

Ermächtigungen schon seit März

Merkel erwähnte, dass schon seit März ein Gesetz gelte zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Damals hatte der Bundestag unter anderem damit die Befugnisse des Bundes und vor allem von Gesundheitsminister Jens Spahn ausgeweitet – bis hin zur Möglichkeit, den Ländern Anweisungen zu erteilen, was bisher allerdings vermieden worden war.

Warum also dann die Betonung der Notlage im Beschluss? Immerhin gab offenbar der Vertreter des Justizministeriums zu bedenken, das es den Notstand im Gesundheitswesen im Gegensatz etwa zu Naturkatastrophen gar nicht gebe.

Es ist wohl so: Merkel und die Länderchefs wollen nicht nur an die Bevölkerung, sondern auch die Gerichte das Signal geben, dass die Verhältnisse nach Einschätzung der versammelten Exekutive ernster sind als noch vor wenigen Tagen und Wochen. Dass die nun beschlossenen Maßnahmen damit für andere Bedingungen gelten. Und damit die Verhältnismäßigkeit anders bewertet werden muss.

Wie es heißt, soll auch der Bundestag die Formel in eine Entschließung zur Coronakrise an diesem Donnerstag oder in der kommenden Woche aufnehmen.

Ramelow bringt Klartext ein

Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow brachte noch etwas Klartext in den Beschluss mit einer eigenen Protokollerklärung. Bundestag und auch Bundesrat müssen demnach „konkrete Ermächtigungsgrundlagen“ nachreichen für Maßnahmen wie Ausgangssperren, Kontaktverbote und Lockdowns – und zwar durch die förmliche Feststellung dieser akuten nationalen Gesundheitsnotlage, um die Beschlüsse vom Donnerstagabend in der Runde der Ministerpräsidenten mit Merkel zu rechtfertigen.

Denn Anfechtungen dieser Beschlüsse vor Gerichten wird es geben. Das machte auch, schon vor den abendlichen Ergebnissen der Runde, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP deutlich, der auch ein versierter Rechtsanwalt ist. „Das Grundgesetz gilt auch in der Pandemie“; sagte er dem Deutschlandfunk und verwies auf die unterschiedlichen „Geschehensläufe“ in verschiedenen Ländern, auf die unterschiedlich reagiert werden müsse.

Gerade die Komplettschließung der Gastronomie ist aus seiner Sicht unverhältnismäßig, weil es nicht auf den Einzelfall und die regionalen Umstände abzielt. So argumentiert er auch in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Es werde vor Gerichten keinen Bestand haben. Aber ist das auch noch so, wenn es zur Abwehr der nationalen Gesundheitsnotlage, von Regierungen und Bundestag aufgerufen, beschlossen wurde? Das müssen Richter wohl nun abwägen. 

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