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Nach dem Parteitag: Wohin steuern die Piraten?

Sie wollen vieles nicht sein: links, rechts, liberal, konservativ. Die Piraten sind auf der Suche nach sich selbst.

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Eine Partei wollen die Piraten sein – aber bloß ja keine etablierte. Das zwingt zu einem Spagat, dem die vor fünf Jahren gegründete deutsche Piratenpartei auch auf ihrem neunten Bundesparteitag am Wochenende in Offenbach nicht immer ausweichen konnte. Und doch hat der sensationelle Wahlerfolg in Berlin im September, bei dem die Partei mit 8,9 Prozent ins Abgeordnetenhaus einzog, ganz offenbar diszipliniert. Manche Geschäftsordnungsdebatte, die frühere Kongresse über Stunden lahmlegte, verkniffen sich die gut 1300 Teilnehmer diesmal weitgehend. 18 000 Mitglieder haben die Piraten inzwischen, vor einem halben Jahr und damit vor der Berlin-Wahl waren es nur gut 12 000. Das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. Angaben zum Frauenanteil werden nicht veröffentlicht und angeblich auch nicht erhoben. In der Offenbacher Stadthalle waren die Männer allerdings klar in der Überzahl.

Wie präsentieren sich die Piraten?

Streaming, ein interaktives Antragsportal und Audioübertragung der Diskussion bis in die Toiletten der Stadthalle Offenbach - technisch taten die Piraten wie immer alles, um dem eigenen Anspruch, ihre Prozesse öffentlich zu machen und Teilhabe zu ermöglichen, gerecht zu werden. Gerade darin aber bleiben die Piraten digitale Elite – und zelebrierten das beim Parteitag auch, zum Beispiel mit spitzen Randbemerkungen in Richtung SPD-Parteitag, „wo es wahrscheinlich kein Internet gibt“.

Zum Schaulaufen für Parteiobere ist auf einem Piratenparteitag hingegen wenig Gelegenheit. Auch ein Vorsitzender muss sich kurzfassen. Zehn Minuten Redezeit hatte der vor einem halben Jahr gewählte Parteichef Sebastian Nerz, um in seiner Rede den Kurs zu skizzieren. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Bernd Schlömer verzichtete gar auf einen Wortbeitrag, zugunsten der Diskussionszeit. Sebastian Nerz wies seine Parteifreunde eindringlich darauf hin, was es bedeute, nun „unter Beobachtung“ zu stehen. Wie in keiner Partei sonst wird viel über das Internet kommuniziert. Und wenn dann bei Twitter oder Facebook Schimpfwörter fallen, gibt das nicht nur Verletzungen, sondern kann, wie Nerz fürchtet, seine Partei sogar spalten. Zwei weitere Dinge sind ganz anders als bei anderen Parteien: Es gibt zwar ein Antragsbuch, in Offenbach hatte es 849 Seiten. Doch hat es keiner ausgedruckt vor sich – dafür jedes Mitglied seinen Laptop dabei. Und: Abstimmen durfte jedes anwesende Mitglied, das mit seinen Beitragszahlungen nicht im Rückstand war. Einem Delegiertensystem verweigern sich die Piraten bisher.

Wie siegessicher geben sich die Piraten im Hinblick auf die Bundestagswahl?

Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband mahnt zur Nachdenklichkeit. „Verdammt gerockt und verdammt viel erreicht“ habe die Partei, sagte sie. Sie könne „möglichst viele Menschen möglichst glücklich machen“. Aber um das zu erreichen, liege noch „Scheiße viel Arbeit“ vor den Piraten, sagte sie in Anspielung auf die fehlende inhaltliche Positionierung in vielen Punkten. Wichtig wird die Landtagswahl im Mai in Schleswig-Holstein – die Fünf-Prozent-Hürde dürfte im konservativen Flächenland schwieriger zu nehmen sein als in Berlin.

Sind die Piraten links?

Die Piraten wollen nicht links sein, nicht rechts, das seien überkommene Kategorien. Parteichef Nerz, selbst früher mal CDU-Mitglied, sagt, dass die Piraten sich doch eher im Feld zwischen SPD, Grünen und FDP bewegen. Allerdings bezeichnete er die Parteitagsbeschlüsse explizit als „liberal“.

Ist über bisherige Kernthemen hinaus klarer geworden, was die Piraten inhaltlich wollen?

In Offenbach haben sich die Piraten bemüht. Doch etwa ein Beschluss zur Präambel des Programms und zum „piratigen Menschenbild“ konnte gar nicht gefasst werden, weil keine Vorlage mehrheitsfähig war. Wie heterogen die Mitgliedschaft ist, zeigte sich bei der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen, das laut Antrag „ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen“ gewährt werden soll. Die einen buchstabierten BGE als „blauäugig, gutgläubig, einfältig“. Die anderen warnten, die Piraten seien keine neoliberale Partei, schließlich könne ein Grundeinkommen genauso finanziert werden „wie das Retten der Banken“. Äußerst knapp wurde die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht. Hartz IV verstößt aus Sicht der Piraten gegen die Menschenwürde, umgekehrt aber fanden sich für Forderungen nach einem Mindestlohn und die Begrenzung von Managergehältern keine Mehrheiten. Beschlossen wurde die Forderung nach der Trennung von Staat und Religion im Grundsatzprogramm sowie eine liberale Drogen- und Suchtpolitik.

Die großen aktuellen Themen wie etwa die Eurokrise blieben aber ebenso außen vor wie eine Diskussion darüber, wie die digitale Demokratie innerparteiliche Prozesse weiter verbessern könnte.

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