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Altbauten in der Rigaer Strasse in Berlin-Friedrichshain.

© imago/Christian Mang

Wohnen wird immer teurer: Wie wir mit dem Neubau endlich vorankommen

Der Wohnungsmangel gefährdet den sozialen Frieden. Deshalb sollten die Länder ein engeres Bündnis mit der Wohnungswirtschaft suchen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Reinhart Bünger

Es reicht! Da liefert die Baukostensenkungskommission des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen einen Bericht ab. Da wird den Ländern immer mehr Geld für den Bau von Sozialwohnungen zur Verfügung gestellt, weil mehr Wohnungen aus der Belegungsbindung entlassen als neu gebaut werden. Da wird über die Synchronisierung des Baurechts in den Ländern debattiert.

Da bieten sich seriöse Projektentwickler – ja, die gibt es auch – den Städten und Gemeinden für Geschäfte zum gegenseitigen Vorteil an. Da plädieren Architektenkammern für Ausbau und Rekonstruktion statt Neubau. Es half und hilft alles nichts. Wir kommen nicht vom Fleck.

Es fehlt nicht an Vorschlägen. Aber an deren Umsetzung. Dem von der Politik organisierten Wohnungsbau in den Großstädten gelingt es seit Jahren nicht, für jeden Geldbeutel ein Zuhause am Markt zu bieten. Sei es zum Kauf, sei es zur Miete. Die klimabedingt angehobenen Neubaustandards treiben die Preisspirale weiter nach oben. Wie auch die alternativlose Anlage von Geld in Betongold.

Krieg, Inflation, löchrige Lieferketten, ausbleibende Gaslieferungen, teurer Treibstoff, Flüchtlingsbewegungen lassen die Problemlage nun wie im Zerrspiegel erkennen. Zu sehen ist eine explosive Mischung. Der soziale Frieden ist in Gefahr, die wirtschaftlichen Grundlagen der Wohnungswirtschaft sind es auch.

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Die Baukosten stiegen um 17,6 Prozent

Wohl dem, der noch hat? Der sich sein eigenes Gehäuse noch leisten kann? Was, wenn die Zahl der Zwangsversteigerungen steigt? Was, wenn Wohnungen plötzlich preiswerter werden, weil sie sich keiner mehr leisten kann? Was, wenn begonnene Bauprojekte im Zuge von Inflation und Arbeitslosigkeit nicht mehr bezahlt, Kredite nicht mehr bedient werden können? Dann platzt die Blase.

Noch aber gibt es Menschen, die sich die hohen Preise – mit Unterstützung von Familie und Freunden – leisten können. Doch die Preise für Neubauten steigen so stark an wie seit mehr als 50 Jahren nicht mehr. Die Baukosten legten hierzulande im Mai um 17,6 Prozent zum Vorjahr zu, wie aus den gestern veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Das ist der größte Zuwachs gegenüber einem Vorjahr seit Mai 1970. Als Gründe werden knappe und teure Materialien genannt sowie eine hohe Nachfrage.

Je höher die Preise steigen, desto mehr droht die Immobilienblase zu platzen.
Je höher die Preise steigen, desto mehr droht die Immobilienblase zu platzen.

© imago images/Sabine Gudath

Aus der Traum also. Wo – wie in Berlin – inzwischen knapp 40 Prozent des Haushaltseinkommens für Zins, Tilgung und Wohnnebenkosten für den Kauf einer Altbauwohnung ausgegeben werden müssen, wird der Traum vom neu gebauten Eigenheim zum Alptraum. Mietern geht es nicht besser: Die wachsenden Energiekosten sind eine unkalkulierbare Unbekannte. Und nicht nur sie. Auch die Kreditkosten steigen.

Was also ist zu tun? Zunächst sollten sich der Bund und auch das Land Berlin ehrlich machen und die illusorischen Neubauziele kippen: 400000 Neubauwohnungen im Jahr sind nicht zu schaffen, und da macht noch nicht einmal der Preis die Musik. Denn in Deutschland haben die Behörden im laufenden Jahr bisher weniger Baugenehmigungen für Wohnraum erteilt als ein Jahr zuvor.

Die Wohnungswirtschaft als Verbündeten sehen

Das Ziel ist wegen der Ukraine-Flüchtlinge ohnehin viel zu niedrig gegriffen. Es werden mehr Flüchtlinge werden, nicht weniger. Das gilt auch für Berlin, das noch Ende Mai behauptete, ausreichend Notunterkünfte bereitzuhalten. 20000 neu gebaute Wohnungen in der Hauptstadt pro Jahr – das ist wie auf Bundesebene nicht mehr als eine Absichtserklärung. Seit 2006 ist der Wohnungsbau Ländersache, und es gibt wenig Grund zur Hoffnung, dass sich daran etwas ändert.

Geld ist zwar (noch) da, aber die Länder verzetteln sich ideologisch in Scheinbündnissen. Ehrlichkeit wäre jetzt Trumpf: Wohngeld für den, der es braucht, statt Ausgaben für die Ausübung kommunaler Vorkaufsrechte. Ein partnerschaftlicher Umgang mit der privaten Bau- und Wohnungswirtschaft wäre wünschenswert, mehr Personal bei der Genehmigung und Umsetzung von Bauvorhaben in den Behörden notwendig.

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