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Donald Trump

© AFP/NICHOLAS KAMM

Reform der US-Justiz: Wozu Populismus fähig sein kann

US-Präsident Trump hat aus einer Fehlentwicklung in der Strafjustiz die richtigen Konsequenzen gezogen. Hierzulande fehlen die noch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Weitgehend unterhalb der europäischen Wahrnehmungsschwelle ereignet sich in den USA eine fundamentale Reform in der Strafjustiz. Präsident Donald Trump hat ein Gesetzespaket unterzeichnet, das vor allem ein Ziel verfolgt: verurteilte Straftäter aus Gefängnissen herauszuholen oder gar nicht erst hineinzubringen. Trump twitterte im gewohnten Modus: „Amerika ist das größte Land der Erde, und mein Job ist es, für alle Bürger zu kämpfen, selbst jene, die Fehler gemacht haben.“

Der Vorgang ist ein bemerkenswertes Beispiel, wozu Populismus entgegen allen Erwartungen fähig sein kann: Fehler zu erkennen und zu korrigieren, die er selbst hervorgerufen hat. Vor ein paar Jahren noch hatten sich die Republikaner gegen die Reform gewehrt. Sie hatten Angst, als Rückgratlose dazustehen, die sich liberalen Wünschen und Vorwürfen beugen. Auf einmal geht es. Man muss es nur wollen. Oder müssen.

Haftanstalt in Kalifornien

© REUTERS

Vielleicht war es eine Mischung aus beidem. Die Logik, wonach Kriminalität vor allem durch Bestrafung Krimineller zu bekämpfen ist, gelangt an ihre natürlichen Grenzen. In den USA sitzen von 100 000 Bürgern 600 bis 700 in Haft. Nimmt man Verwandte, Angehörige, Freunde hinzu, wird deutlich, dass für einen erheblichen Teil der Gesellschaft der Umgang mit Gefangenen und Gefängnissen zum Alltag gehört. Die Rap-Kultur ist ein Ausdruck davon.

Verschärft hatte sich die Situation noch mit der „Three-Strikes“-Regel, wonach auf zwei Verurteilungen wegen Drogendelikten bei einer dritten Tat zwingend ein Lebenslang zu folgen hat. Ein eingängiges Motto, die US-Bürger kennen es aus dem Baseball, wo der Schlagmann nach drei verhauenen Bällen eine Runde aussetzen muss. Die Novelle, beschränkt auf die Bundesgefängnisse, soll die Regel jetzt erstmals wieder aufweichen.

Auch hierzulande, wo 70 bis 80 Bürger von 100.000 hinter Gittern sitzen, hat die Überzeugung ihren festen Platz, dass man nur richtig bestrafen muss, um Straftaten zu verhüten. Eine Ansicht, die jedoch nur in feiner Dosis in die Rechtspolitik gelangt und Gerichte kaum erreicht. Der medial vielfach verbreitete Ruf nach Härte trifft auf dafür relativ taube Institutionen.

Der Streit um die Kriminalität von Flüchtlingen hat die Problematik zudem auf Fragen der Abschiebung verlagert. Strafprozessuale Neuerungen werden fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert, während Tatbestände nur Schlagzeilen machen, wenn es um Sexualstraftaten geht oder Geschlechterfragen mitverhandelt werden („nein heißt nein“, Werbeverbot für Abtreibungen).

Den Deutschen liegt an Kontinuität, Amerikaner mögen die Wende. Trump hat auch schon die Todesstrafe für Drogenhändler verlangt. Es sollte trotzdem niemanden wundern, wenn er es ist, der sie irgendwann abschafft.

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