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Die Koalition versucht sich hektisch an einer Rentenreform.

© dpa

Zukunft der Rente: Für Umverteilung sind Steuern da, nicht das Rentensystem

Schlichte Rezepte helfen nicht: An der Rentenfrage wird sich zeigen, ob Union und SPD noch fähig sind, das Land voranzubringen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Über weite Strecken der Legislatur sah es aus, als wollte sich die Koalition vor dem Kraftakt einer echten Rentenreform drücken. Bereits zu Beginn hatte sie sich mit sündhaft teuren Gießkannenprojekten verausgabt. Die versprochene Lebensleistungsrente passte nicht ins System. Was blieb da noch? Ein bisschen Flexirente zur Kompensation der umstrittenen Rente mit 63. Eine kleine Auffrischung für die stagnierenden Betriebsrenten. Und mit dem großen Rest ab in den Wahlkampf.

Plötzlich verfällt die Koalition in Torschlusspanik

Plötzlich aber geraten die Koalitionäre in Torschlusspanik, kramen alles auf einmal hervor. Mehr Anreize fürs Riestern. Freibeträge für die Grundsicherung im Alter. Eine "Haltelinie" fürs schrumpfende gesetzliche Rentenniveau. Die Einbeziehung von Selbstständigen. Eine bessere Absicherung Erwerbsgeminderter. Die Angleichung der Ostrenten. Und die CSU bringt sogar ihren Wahlkampfhit von 2013 noch mal aufs Tapet: Mütterrente Reloaded. Koste es, was es wolle.

Es geht um Gerechtigkeit. Für die Alten, aber auch für die Jungen. Und zu einem nicht geringen Teil ist die auffällige Betriebsamkeit natürlich der Stimmung im Land geschuldet. Als Reaktion auf die Populisten der AfD richtet sich der Blick stärker auf die kleinen Leute. Deren Sorge, trotz lebenslanger Plackerei im Alter darben zu müssen, ist sozialpolitischer Sprengstoff. Ihr Gefühl, dass für Migranten mehr getan werde als für die Rentner, tut ein Übriges.

Was wäre schlimm daran, wenn Populisten den Anlass zu vernünftigem Handeln liefern?

Das muss nicht beunruhigen. Was wäre schlimm daran, wenn die Angst vor Rattenfängern Anlass zu vernünftigem Handeln ist? Wenn sie die Politik dazu bringt, endlich das Nötige anzupacken. Wenn das Ganze nicht in realitätsfernem Überbietungswettbewerb, sondern in sinnvoller Weichenstellung mündet?

Schon richtig: Momentan ist Altersarmut nicht das Problem. Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose bräuchten dringender Hilfe. Doch auf mittlere Sicht verschiebt sich das Gefüge. Die Lebenserwartung steigt, der Anteil der Alten wird sich bis 2060 verdoppeln.

Der Anteil der Alten steigt und der Rentenbezug wird immer länger

Und auch die Dauer des Rentenbezugs erhöht sich immer weiter, sie ist mit durchschnittlich 20 Jahren schon jetzt doppelt so hoch wie vor 1960. Die Politik tut gut daran, schon jetzt darauf zu reagieren.

Doch schlichte Rezepte helfen nicht. Die Bemessungsgrenze erhöhen und Gutverdiener stärker zur Kasse bitten? Vergrößert nur das Problem, da es auch höhere Rentenzahlungen zur Folge hat – und zwar just dann, wenn der demografische Wandel das Umlagesystem ohnehin an seine Grenzen bringt. Die weit besser dastehenden Beamten ins gesetzliche System zwingen? Wäre schon wegen deren hoher Lebenserwartung ein schlechtes Geschäft. Verordnen, dass die gesetzliche Rente einen auskömmlichen Lebensabend zu garantieren hat? Müsste mit immer höheren Beiträgen der ohnehin schon gebeutelten Folgegeneration erkauft werden.

Erziehungsleistung aus Rentenbeiträgen honorieren zu wollen, ist ein Unding

Vielleicht täte es gut, sich auf Wesentliches zu besinnen. Für Umverteilung sind Steuern da, nicht das Rentensystem, in das längst nicht alle einzahlen. Erziehungsleistung nur aus Rentenbeiträgen honorieren zu wollen, ist ein Unding. Das Gleiche gilt für die dringend nötige Aufstockung niedriger Renten.

Gute Löhne und die Bekämpfung der Minijob-Epidemie helfen gegen Altersarmut. Hinzu kommen könnte eine Kopplung von allgemeiner Lebenserwartung und Renteneintrittsalter, wie es in Nachbarländern bereits gibt. Dafür bräuchte es aber mehr altersgerechte Jobs, Fortbildung, Prävention, Rehabilitation. Längeres Leben bedeutet nicht per se längere Arbeitsfähigkeit.

An der Rentenfrage wird sich zeigen, wie die sozialpolitische Bilanz der Koalition ausfällt. Union und SPD können auf den letzten Metern noch beweisen, ob sie fähig sind, Populisten vorzuführen, Strukturreformen einzuleiten, das Land voranzubringen. Oder eben auch nicht.

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