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Zwei Umfragen - zwei Ergebnisse: Gute Reichensteuer, schlechte Reichensteuer

Ein Wohlfahrtsverband und eine Wirtschaftsinitiative wollten wissen, was die Deutschen von Steuererhöhungen erhalten. Sie bekamen jeweils die Antworten, die ihnen ins Konzept passen.

Zwei Umfragen, zwei Ergebnisse – und wunderbarerweise entsprechen sie jeweils ganz der Position ihrer Auftraggeber. Der Paritätische Wohlfahrtsverband präsentierte am Donnerstag eine Infratest-Erhebung, wonach die Deutschen mit deutlicher Mehrheit und über alle Parteigrenzen hinweg, eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen fordern. Die wirtschaftsnahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft behauptete das glatte Gegenteil – und hat ebenfalls ein seriöses Meinungsforschungsinstitut im Rücken. Nach einer von ihr georderten Emnid-Befragung empfinden nur 14 Prozent der Bürger die geltenden Spitzensteuersätze als zu niedrig. 63 Prozent wollten daran überhaupt keine Änderungen.

Ja, was denn nun? In ihrer Eindeutigkeit hätten ihn die Infratest-Ergebnisse überrascht, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. 77 Prozent wünschten sich höhere Steuern für Reiche. Dabei handle es sich keineswegs nur um Anhänger von Linkspartei, Grünen oder SPD. Auch eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Unionswähler plädiere dafür, die Vermögenden stärker zur Kasse zu bitten. Bei den anderen Parteien seien es 85 bis 87 Prozent.

Die Befragten äußerten auch klare Ansichten darüber, wohin die Mehreinnahmen fließen sollten. 78 Prozent wollten höhere Bildungsinvestitionen. 57 Prozent verlangten, mehr fürs Soziale auszugeben. Während Ersteres unter allen Parteien Konsens scheint (die Zustimmung reicht von 88 Prozent bei Grünen bis zu 72 Prozent bei Unionsanhängern), geht es beim Wunsch nach höheren Sozialinvestitionen stärker auseinander. 79 Prozent der Linken etwa wollen hierfür mehr Geld, bei der Union sind es nur 50 Prozent. Allerdings wäre das im Lager von CDU und CSU immer noch eine klare Mehrheit. Dass für Hartz-IV-Empfänger oder Behinderte zu viel ausgegeben wird, meinen unter den Unionsanhängern nur erstaunliche elf Prozent. Vielleicht wären es ja bei der FDP mehr gewesen, deren Anhänger in der Umfrage nicht auftauchen. Weil sich zu wenige zu dieser Partei bekannten, waren ihre Aussagen nicht gesondert statistisch verwertbar.

Schneider sprach folglich von einer „überwältigenden Zustimmung für einen Richtungswechsel in der Steuer- und Ausgabenpolitik“, die den Parteien zu denken geben sollte. Mit ihrer Absage an Steuererhöhungen habe sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) offensichtlich „von ihrer Anhängerschaft entfernt“. Das Umfrageergebnis erkläre jedenfalls, warum die Grünen trotz ihrer Ankündigung, bereits Singleeinkommen von mehr als 60 000 Euro stärker zu belasten, bei den Sympathiewerten zulegen konnten.

Das Emnid-Institut dagegen ermittelte, dass 63 Prozent solche Pläne ablehnen. Sie hielten, so verkündete die Marktwirtschaftsinitiative, die aktuellen Spitzensteuersätze (42 Prozent ab 53 000 Euro Jahreseinkommen und 45 Prozent ab 250 000 Euro) für angemessen.

Beide Umfragen wurden im Mai gemacht, beide sind repräsentativ. Und befragt wurden jeweils rund 1.000 Personen. Der einzige Unterschied: Emnid fragte gezielt nach den Steuerplänen der Grünen, Infratest nur ganz allgemein nach Vermögensverteilung und Gerechtigkeit. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, der dem „Bündnis Umfairteilen“ angehört, fordert eine Reichensteuer und deutlich mehr Investitionen in Bildung und Soziales. Die von Arbeitgeberverbänden finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft dagegen sieht in höheren Spitzensteuersätzen eine Gefahr für Mittelschicht und Wirtschaft.

Bekommt vor der Wahl jeder das Umfrageergebnis, das er haben möchte? Vieles dürfte mit der Fragestellung zusammenhängen. Bei Infratest ist es denkbar, dass die Begeisterung für Steuererhöhungen niedriger ausgefallen wäre, wenn man nicht nur pauschal nach „sehr hohen Einkommen und sehr großem Vermögen“ gefragt hätte. Wer sich selber nicht zu den Reichen zählt, kann für sie leicht höhere Belastungen fordern. Aber auch die Emnid-Zahlen dürften mit Vorsicht zu genießen sein. Dass nur 14 Prozent die aktuellen Steuersätze für zu niedrig halten, aber 32 Prozent die Erhöhungspläne der Grünen begrüßen, ist jedenfalls logisch nicht ganz nachvollziehbar.

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