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Urteil gegen Ex-Minister Speer: BGH stärkt Pressefreiheit

Der brandenburgische Ex-Minister Rainer Speer zahlte nicht für ein uneheliches Kind, für das dann der Staat aufkam - und er versuchte alle Berichte darüber zu unterbinden. Nun entschied der Bundesgerichtshof: Die E-Mails von Speer dürfen für die Berichte verwertet werden. Ein Sieg für die Pressefreiheit.

Potsdam/Karlsruhe - Sieg für die Pressefreiheit und eine schallende Ohrfeige für den Potsdamer SPD-Politiker Rainer Speer im Streit um die Veröffentlichung privater E-Mails und seine Unterhaltsaffäre: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am gestrigen Dienstag entschieden, dass die „Bild“-Zeitung aus privaten E-Mails zitieren durfte, um zu belegen, dass der frühere Innenminister keinen Unterhalt für seine uneheliche Tochter zahlte und damit Sozialleistungsbetrug beging. Mit diesem Urteil in letzter Instanz stärkte der BGH ausdrücklich die Pressefreiheit. Die damalige Berichterstattung der „Bild“ war zulässig – und sie war sogar zwingend notwendig.

Speer war bis 1999 Staatssekretär des damaligen Umweltministers Matthias Platzeck, in dieser Zeit hatte er ein außereheliches Verhältnis zu einer Mitarbeiterin, 1997 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Die Mutter behauptete, den Kindesvater nicht zu kennen, und beantragte gesetzlichen Unterhaltsvorschuss. Der wurde ihr bis 2003 gezahlt. 1999 wurde Speer Chef der Staatskanzlei und 2004 Finanzminister. 2009 verschwand der Laptop des Ministers. Dort gespeicherte Mails wurden der „Bild“ zugespielt. Die hielt dem Politiker die Mails vor – und den Vorwurf des Sozialbetrugs.

Die Mutter des Kindes beklagte sich in den E-Mails, dass Speer keinen oder nur unregelmäßigen Unterhalt zahle und mehrere tausend Euro Schulden bei ihr habe. Der, verheiratet und selbst Familienvater lehnte einen Kontakt ab. Aus den E-Mails ging auch hervor, dass Speer der Frau ab und zu Geld in den Briefkasten gesteckt haben soll.

Speer reagierte mit einer einstweiligen Verfügung gegen „Bild“, um die Verwertung der Mails zu verhindern. Das hob das Landgericht Berlin auf, verbot aber wörtliche oder indirekte Zitate  aus den Mails. In den Springer-Zeitungen erschienen Berichte unter voller Namensnennung. Tage später trat Speer zurück, bekannte sich zur, gerade per Test festgestelltemn Vaterschaft und holte die Unterhaltszahlungen nach. Zudem behauptete er, nicht gewusst zu haben, dass seine Ex-Geliebte Unterhaltsvorschuss aus der Staatskasse bezog. Die Unterlassungsklage gegen die Springer-Blätter führte er aber weiter.

Sowohl Landgericht als auch Kammergericht Berlin verurteilten den Springer-Verlag auf Unterlassung der Berichterstattung, eine Revision war nicht zugelassen. Springer legte Beschwerde beim BGH ein. Der VI. Zivilsenat wies die Unterlassungsklage von Speer jetzt rechtskräftig ab. Private Mails stünden grundsätzlich unter Schutz, hieß es, seien aber nicht absolut gesperrt. Denn hier offenbarten sie „einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse“ bestehe. Der Politiker habe die wirtschaftliche Verantwortlichkeit für seine Tochter auf Steuerzahler abgewälzt. Es reichte dem BGH auch, dass Speer vom Vorgehen seiner Ex-Geliebten wusste. Keine Rolle spielte für das Gericht, ob es ihre eigene oder seine Idee war, er sie also angestiftet hat.

Der Vorgang zu veröffentlichen, gehöre zur Funktion der Presse, stellte der BGH fest. Speer habe als Minister zu einem Personenkreis gehört, an dessen Verhalten „unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse“ bestehe.

Der BGH erlaubte auch wörtliche oder indirekte Zitate aus einzelnen E-Mails zwischen Speer und seiner Ex-Geliebten. Das hatten die Vorinstanzen noch verboten.

Keine Rolle spielte für den BGH, dass die Mails vielleicht durch einen Diebstahl des Speer-Laptops zur „Bild“ gelangten. Begründung: Die Reporter „haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen“, heißt es in dem Urteil.

Speer dürfte mit dem Urteil leben können. Nach dem Ministerücktritt hatte er 2010 auch sein Landtagsmandat abgegeben. Er wurde im Alter von 51 Jahren   in den einstweiligen und gut dotierten Ruhestand. Allerdings ist mit dem BGH-Urteil ausgeschlossen, dass Speer Schadenersatzforderungen gegen Springer wegen entgangener Bezüge vorgehen kann.

Auch seine Geliebte hat profitiert: Sie war 2002 verbeamtet worden. Weil die Akten zu dem Vorgang Lücke hatte und Teile fehlten, konnte nie geklärt werden, welchen Anteil Speer an der Verbeamtung hatte. Ein Disziplinarverfahren gegen ihn wurde jedenfalls nicht eröffnet.

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