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Polizeireform: Brandenburgs Polizei schafft Kommissariate für Jugendstraftäter ab

Richterbund und Kripo-Gewerkschaft kritisieren Einschnitte im Zuge der Strukturreform

Potsdam - Brandenburgs Polizei schafft im Zuge der Strukturreform die Kommissariate für Jugendkriminalität in den vier neuen Regionaldirektionen ab. Das geht aus dem neuen Geschäftsplan des Landespräsidiums hervor, der Anfang August intern an die Mitarbeiter ging. Begründet wird dies mit dem demografischen Wandel, also einer sinkenden Zahl von Jugendlichen, und der Statistik – weil demnach die Jugendkriminalität zurückgeht. Ermittler und Experten warnen jedoch, in Brandenburg könnten kriminelle Jugendliche bald nicht mehr ausreichend unter Kontrolle gehalten werden. Der Landeschef des Deutschen Richterbundes, Matthias Deller, sagte, das im Jugendstrafrecht verankerte Ziel der Erziehung könne damit nicht mehr erreicht werden. „Schon heute werden immer weniger Straftaten und jugendliche Straftäter ermittelt, auch die Häufigkeit der Anklagen sinkt“, erklärte er. „Mit dem vollständigen Abbau der Jugendkommissariate dürfte die Qualität der Ermittlungsarbeit weiter abnehmen.“ Die Cottbuser Richterin Sigrun von Hasseln, die jahrelang die große Jugendstrafkammer am Landgericht Cottbus leitete und ehrenamtlich Präventionsarbeit leistet, sagte, Jugendkommissariate seien eine „sinnvolle Sache“, sie könne nur appellieren, derartige Rotstiftaktionen rückgängig zu machen. Bereits unter Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatten die Ermittler für jugendliche Straftäter 2008 ihre Eigenständigkeit verloren und waren in vielen Schutzbereichen dem Staatsschutz zugeordnet worden. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass im Schnitt 75 Prozent der politisch motivierten Taten von Jugendlichen begangen werden. Lediglich in Potsdam, Brandenburg (Havel), Frankfurt (Oder) samt Oder-Spree und Cottbus mit Spree-Neiße blieben eigene Abteilungen erhalten. In Märkisch-Oderland und Oberspreewald-Lausitz fiel der Jugendbereich ganz weg. Nach den neusten internen Plänen des Polizeipräsidiums sollen lediglich in Potsdam und Cottbus eigenständige Kommissariate für Jugendkriminalität erhalten bleiben. Künftig sollen die Spitzen der Direktionen und Inspektionen flexibel entscheiden dürfen, in welchen Schwerpunkten die Kriminalbeamten eingesetzt werden. Die Jugend-Ermittler aber sind pädagogisch geschult und sollen eng mit den Jugendämtern, der Jugendgerichtshilfe und den Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten, wo es eigene Jugendabteilungen gibt. An den Gerichten befassen sich einzelne Kammern nur mit jugendlichen Straftätern. Gefragt sind Szenekenner der Polizei, „die ihre Pappenheimer und deren Vita kennen“, wie ein Ermittler den PNN sagte. Es gehe darum, kriminelle Karrieren gar nicht erst entstehen zu lassen. Dieses System ist nun bedroht. Deller sagte, mit dem Umbau bei der Polizei in diesem Bereich gebe Brandenburg das Signal, „dass die Verfolgung jugendlicher Straftäter keine Priorität mehr hat“. Und auch die Statistik, nach der die Jugendkriminalität zurückgegangen ist (siehe Kasten), trüge. „Die Erfahrung der Bürger ist eine andere, die Straftaten Jugendlicher werden nur nicht mehr adäquat verfolgt“, sagte Deller. „Wenn man keine Beamten im Einsatz hat, dann geht auch die Fallzahl in der Statistik zurück.“ Auch Gerd-Christian Treutler, Sprecher der Kripo-Gewerkschaft BDK, sagte: „Es werden zwar weniger Jugendliche kriminell, aber die sind umso straffälliger“. Daher sei nun zu befürchten, „dass sich in der Fläche des Landes keine gesonderte Diensteinheit mehr mit jugendlichen Intensivstraftätern befasst“. Besonders gravierend sind die Einschnitte im Vergleich zu anderen Bundesländern. Richterin von Hasseln sagte, jedes Land „tut gut daran, diese noch auszubauen“. Tatsächlich gilt das Neuköllner Modell der verstorbenen Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig deutschland weit als Erfolgsmodell, wie auch Richterbund-Chef Deller bestätigte. Durch eine funktionierende Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Jugendgerichtshilfe sollen jugendliche Täter in Blitzverfahren vor Gericht gebracht werden und im besten Fall von neuen Taten abgehalten werden. „Dazu braucht es aber die Spezialisten der Polizei“, sagte Deller. „Wenn Brandenburg meint, aus diesem bundesweiten Konsens ausscheren zu müssen, dann hat es ein Problem. Damit ziehen wir uns die Straftäter von Morgen heran.“

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