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Brandenburg: Chaostage bei Rot-Rot-Grün in Berlin

Unterstützung der Linken für Holm spaltet Senat – ebenso wie Salehs Kritik am Sicherheitspaket

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Berlin - Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin kommt nicht zur Ruhe. Im Streit um den stasibelasteten Staatssekretär Andrej Holm verschärfte der Landesvorstand der Linken den internen Konflikt, indem er sich am Freitag demonstrativ hinter den parteilosen Soziologen stellte und sich dafür aussprach, dass der Senat ebenfalls „eine klare politische Rückendeckung signalisieren“ solle. In der SPD und bei den Grünen steigt der Groll über das Verhalten der Linken an.

Und es gibt neue Probleme. Linke und Grüne sind sehr verärgert über den SPD- Fraktionschef Raed Saleh, der am Donnerstag in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus eine bessere Videoüberwachung forderte, obwohl der Senat dies in einem am Montag vereinbarten „Sicherheitspaket“ ausgeschlossen hat. Die Grünen- Fraktionschefin Antje Kapek äußerte sich „irritiert“. Der Fraktionschef der Linken, Udo Wolf, warf Saleh vor, sich vom „gut vertretbaren Kompromiss vollständig gelöst“ zu haben. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei so nicht möglich.

Anfang nächster Woche treffen sich die Fraktionsspitzen von SPD, Linken und Grünen, um die weitere Zusammenarbeit zu besprechen. Auch der SPD-Landesvorstand wird sich am Montag mit der Sicherheitspolitik und Salehs Rede befassen, die in Partei und Fraktion jetzt schon viele Fürsprecher gefunden hat. Auch von der SPD-Basis und parteilosen Bürgern gebe es positive Resonanz, heißt es im Umfeld des SPD-Fraktionschefs. Saleh gilt nach wie vor als parteiinterner Widersacher des Regierenden Bürgermeisters und SPD-Landeschefs Michael Müller, auch wenn beide seit der Bildung des neuen Senats von einer guten und loyalen Zusammenarbeit sprechen.

Die Causa Holm könnte zu einer ernsten Belastung für die rot-rot-grüne Koalition werden. Erwartet wird von der zuständigen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine zeitnahe Entscheidung über den von ihr vorgeschlagenen Staatssekretär. Laut Lompscher wird derzeit eine „einzelfallbezogene differenzierte Gesamtbewertung“ vorgenommen. Bis zur Klärung der laufenden arbeitsrechtlichen Prüfung durch die Humboldt-Universität (HU) will sich Lompscher auf Nachfrage nicht mehr äußern. Die HU kündigte am Freitag an, am kommenden Mittwoch eine Entscheidung zu treffen. In der Debatte über die Ernennung von Holm am Donnerstagabend im Parlament gab es Kritik von der Opposition, aber auch von der SPD. Führende Linkspolitiker sprachen am Freitag von einem „Frontalangriff“ und kritisierten die Koalitionspartner hinsichtlich des Umgangs in dem Bündnis. Es werde in der nächsten Zeit „viel“ zwischen Rot-Rot- Grün zu besprechen geben.

Andrej Holm hatte am Freitag eine persönliche Erklärung abgegeben und sich „insbesondere bei den Opfern des Repressionsapparates der DDR“ entschuldigt, sollte bei diesen der Eindruck entstanden sein, er wolle „erlittenes Unrecht relativieren“. Holm machte deutlich, dass er sein Amt als Staatssekretär weiter ausüben möchte. Auf Anfrage dieser Zeitung gab Holm keine weitere Stellungnahme ab. Sein Anwalt hatte fristgerecht am Donnerstag eine Stellungnahme zu dessen Falschangaben über seine Stasi-Tätigkeit bei der HU eingereicht. Mit der HU habe er zwischenzeitlich zwar einen Auflösungsvertrag erwogen, „um eine politische Entscheidung, die sich nicht hinter einer arbeitsrechtlichen einreihen sollte, möglich zu machen“. In der aktuellen Situation allerdings halte er jetzt „eine arbeitsrechtliche Klärung parallel zu der politischen Entscheidung für unerlässlich“, heißt es in der verbreiteten Erklärung.

Die Humboldt-Universität bestätigte in ihrer Pressemitteilung vom Freitagnachmittag, dass mit Holms Rechtsanwalt „Gespräche über einen Auflösungsvertrag geführt“ wurden. „Herr Holm hat am späten Abend des 12. Januar diesen Weg verworfen“, heißt es weiter. Die Stellungnahme zu Holms Angaben im Personalfragebogen stammt demnach auch von seinem Anwalt. Die Rechtsabteilung und die Personalabteilung der HU würden diese nun „weiter prüfen“, teilte die Uni mit. Eine Entscheidung fällt letztlich HU-Präsidentin Sabine Kunst. Holm drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur Kündigung. Sollte die HU Holm kündigen, müsste der Personalrat einbezogen werden. Selbst wenn dieser der Kündigung nicht zustimmen würde, hätte er aber kein Veto-Recht. Infrage kommt als Disziplinierungsmaßnahme auch eine Abmahnung.

Grundlage für die Stellungnahme sind die Auskünfte, die die HU von der Stasiunterlagenbehörde zu Holm bekommen hat. Er ist an der HU fest angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Stadtsoziologie und aktuell wegen seiner Tätigkeit als Staatssekretär für Wohnen beurlaubt. Holm hatte bei seiner Einstellung behauptet, nicht bei der Staatssicherheit beschäftigt gewesen zu sein, keine Verpflichtungserklärung abgegeben zu haben und auch kein Geld von der Stasi bekommen zu haben. Er hatte lediglich erklärt, seinen Wehrdienst im Stasi-Wachregiment Feliks Dzierzynksi abgeleistet zu haben. Tatsächlich war er aber fünf Monate lang als Offiziersschüler bei der Stasi, wozu er sich schriftlich verpflichtet hatte, und bezog entsprechend ein deutlich höheres Gehalt als Wehrdienstleistende.

Bewusste Falschangaben in einem Zusatzbogen zum Personalfragebogen der HU will Holm offenbar erneut zurückweisen: Er habe sich 2005 an der HU beim Ausfüllen eines Zusatzbogens „in der Einordnung meines Status und meiner Diensteinheiten auf meine Erinnerungen verlassen“. Seinem damaligen „Wissensstand und Selbstbild“ habe „eine begonnene Ausbildung zur Vorbereitung auf eine hauptamtliche Tätigkeit beim MfS“ entsprochen. Holm entschuldigt sich außerdem „insbesondere bei den Opfern des Repressionsapparates der DDR. Der CDU-Generalsekretär Stefan Evers forderte den Regierenden Bürgermeister am Freitag auf, Holm zu entlassen.S. Beikler, M. Berger, A. Burchard, A. Kühne, U. Zawatka-Gerlach

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