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Thomas Berg, Pfarrer, steht vor dem Evangelischen Kindergarten Lunow.

© dpa/Patrick Pleul

„Weit genug weg und dicht genug dran“: Wie das Brandenburger Dorf Lunow um Zuzügler wirbt

Pfarrer Thomas Berg überlässt es nicht dem Zufall, neue Bewohner zu finden. Ein professioneller Film zeigt, was der Ort an der Grenze zwischen Barnim und Uckermark zu bieten hat.

Von Jeanette Bederke, dpa

Im Brustton der Überzeugung sagt ein etwa zwölfjähriges Mädchen in die Filmkameras: „Ich habe nicht vor, hier jemals wegzugehen.“ Es trägt die Uniform der Jugendfeuerwehr und ist eine von Dutzenden Protagonisten in einem knapp 18-minütigen Video, das zwei Filmemacher im vergangenen Jahr in Lunow (Barnim) gedreht haben.

„Imagefilm“ nennt der Lunower Pfarrer Thomas Berg das Werk, das Ende Januar dieses Jahres fertiggestellt wurde und inzwischen sowohl auf dem Videoportal Youtube, als auch auf der Webseite der Kirchengemeinde angeschaut werden kann.

Eigentlich hat das malerisch im unteren Odertal gelegene 1000-Seelen-Dorf so eine Werbung gar nicht nötig. Die Anwesen wirken gepflegt, der Ort selbst lebendig. „Was Lunow so lebenswert macht, ist die intakte Infrastruktur“, bringt Teresa Jacobi die Sache auf den Punkt. Kindergarten, Supermarkt, Gaststätte, Friseur, Arztpraxis, Physiotherapie – alles da. Und was fehlt, wie einst die Grundschule, wird eben neu gegründet. Das hat Jacobi, die aus Baden-Württemberg stammt, vor zwei Jahren erfolgreich gemacht. Sie sieht allerdings – genau wie der Pfarrer – die Gefahr, dass diese Infrastruktur ohne Zuzügler wegbricht.

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„Es kehren zwar viele junge Leute nach der Ausbildung in den Ort zurück – aber das reicht auf Dauer trotzdem nicht“, sagt die Pädagogin, die fachkundige Unterstützung in den Fächern Kunst, Musik und Englisch sucht. Das Filmporträt sei gut, um das Dorf und seine Bewohner bekannter zu machen, sagt sie.

Ein goldener Kronleuchter schmückt die Lunower Kirche mit dem Altar.
Ein goldener Kronleuchter schmückt die Lunower Kirche mit dem Altar.

© dpa/Patrick Pleul

Er gehe bald in den Ruhestand, seine Frau, die Allgemeinmedizinerin in Lunow, ebenso, macht der 63-jährige Pfarrer deutlich. Auch in anderen Bereichen würden Nachfolger gebraucht, beispielsweise bei den Kita-Erzieherinnen. Pfarrstellen würden in der Regel mit langweiligen Formulierungen im Amtsblatt ausgeschrieben. „Da beißt doch keiner an. Wir liegen ja am östlichsten Rand Brandenburgs, für ein Leben hier muss man sich schon bewusst entscheiden“, erklärt Berg, warum er „die Sache mit dem Imagefilm“ initiierte. Für das exklusive Dorfporträt hatte er zwei in einem Nachbardorf lebende Filmemacher gewinnen können. „Die waren immer schnell greifbar, wenn bei uns was los war – ob Kindermusical, Erntedankfest oder Adventsmarkt“, beschreibt er.

Der Landkreis förderte das Projekt mit knapp 15.000 Euro zu 80 Prozent, bestätigt Kreissprecher Robert Bachmann. „Insbesondere im ländlichen Raum sind bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Strukturen von besonderer Bedeutung. Wir sind überzeugt, dass Projekte wie dieses ein geeignetes, zeitgemäßes Mittel darstellen, lokale Vereine und Initiativen vorzustellen und damit zur Stärkung der regionalen Identität beizutragen“, sagt er.

Einen Werbeeffekt gibt es laut Berg bisher noch nicht. „Ich werde das Video noch auf Facebook und andere Social-Media-Plattformen bringen, um mehr junge Leute zu erreichen. Und ich nehme Kontakt zu den Touristenvereinen der Region auf“, kündigt er an.

Man ist weit genug weg von den großen Städten, aber dicht genug dran, um auch mal hinzufahren.

 Thomas Berg, Pfarrer in Lunow.

Lunow, das gemeinsam mit dem wesentlich kleineren Nachbardorf Stolzenhagen eine gemeinsame Gemeinde bildet, sei schon immer ein ländliches Zentrum in der Region gewesen, erklärt Berg. Der viel befahrene Oder-Neiße-Radweg in Sichtweite, die Kirchengemeinde betreut in der Saison das gut besuchte Café „Goldrand“. „Man ist weit genug weg von den großen Städten, aber dicht genug dran, um auch mal hinzufahren“, sagt Pfarrer Berg, der vor mehr als 30 Jahren aus Berlin nach Lunow kam und hier auch im Ruhestand bleiben möchte. Andere, weiß er, seien einst als Touristen gekommen und als Einwohner geblieben.

Lunow, erstmals 1313 urkundlich erwähnt, sei ein Ort, in dem viele Familienstammbäume heutiger Bewohner bis in die Zeit des 30-jährigen Krieges zurückreichten, sagt der Pfarrer. „Die Alteingesessenen sind aktuell noch in der Mehrzahl. Aktiver und produktiver für das Dorf sind aber die Zugezogenen“, hat er beobachtet. Die Lunower seien offen und freuten sich über jeden mit neuen Ideen, erzählt der Lunower Bauunternehmer Marko von Cysewski. Er saniert gerade ein zweistöckiges Gebäude, das im Erdgeschoss einen Hofladen beherbergen soll. „Im Obergeschoss entsteht eine Wohnung - die ist noch nicht vergeben“, meint er augenzwinkernd.

Die Dorfbewohner seien nicht neugierig. „Sie interessieren sich – nicht hinter der Gardine, sondern direkt bei der Begegnung auf der Straße“, betont Sigrid Orlowski, die vor vielen Jahren in das Haus ihrer Großeltern in Lunow zog und das Café „Goldrand“ ehrenamtlich leitet, mit dieser Aufgabe „total glücklich“ ist.

„Wer sich für den Ort engagiert, findet schnell Gleichgesinnte und der Zusammenhalt ist wirklich gut“, beschreibt die Wahl-Lunowerin, die früher in der Mikroelektronik gearbeitet hat. Lunow habe wirklich Charme, eben weil die Bewohner so aufgeschlossen seien, bestätigt Zuzüglerin und Pädagogin Jacobi, die sich angekommen fühlt. „Das Interesse ist groß. Das merke ich schon an den vielen Anfragen für die Schule“, sagt sie.

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